HAMELN. Draußen: Marktalltag, wie jeden Mittwoch, drinnen: eine Fantasiewelt, wie sie nur im Theater so märchenhaft gezaubert werden kann. Andersens nicht ganz so bekannter „Der Mistkäfer“ von Jörg Schade – und der ist hier sehr bekannt – für ein Kinderkonzert bearbeitet.
Andreas N. Tarkmann hat dazu die Musik komponiert. Und auf der Bühne das Göttinger Symphonie Orchester unter Izabele Jankauskaite. Ein ganzes großes Orchester – und selten, dass sinnfälliger, auch sinnlicher investiert worden wäre. Und den Kindern ein beglückendes Geschenk gemacht – dazu: Werbung für die Bühne, die es unter Corona so lange so schwer hatte.
Prof. Dr. Mistikus in Tropen-Kluft und mit Kescher auf Käferjagd – und Instrument für Instrument vorgestellt und den Märchenfiguren zugeordnet. So „orgelt“ das Fagott für den Mistkäfer, die Geigen schmeicheln süß der Prinzessin, zum König gehört das Cello und die Bienen werden von den Streichern gesummt. Die Querflöte illustriert die Fliege, während das Gewitter von den Tommeln gedonnert wird und es die Geigen pizzicato regnen lassen. Trompeten mit Dämpfer stehen für das Quaken der Frösche.
Jörg Schade voll in seinem Element als Sprecher, der die Geschichte vom Mistkäfer erzählt, der sich ärgert, dass des Kaisers Leibross goldene Hufbeschläge bekommt – er aber leer ausgeht. Das alles, „um mich zu kränken“, wie er sich bitter beklagt und deshalb auch in die weite Welt flüchtet – musikalisch mit Fagott, Pizzicato und einem gestrichenen Tonteppich begleitet. So viele Begegnungen – und wie so oft bei Andersen: Figuren, die immer nur sich selbst sehen, ihr eigener Kosmos sind.
Die Ameisen, die Tarkmann – einst Schüler, dann Lehrer an der Hochschule für Musik in Hannover und zuständig für die Bühnenmusiken am Staatstheater – auch musikalisch marschieren lässt, wechselt zur Idylle pur beim Raupen-Auftritt mit Streicherbegleitung. Dann Trommel-Einsatz mit Streichern und Blech beim Gewitter samt Platzregen. Der Mistkäfer fällt um – vom Fagott lapidar absteigend begleitet. Immer wieder Schmunzel-Passagen, auch das Froschgequake, das Surren der Bienen – oder die so tänzerisch gestaltete Hochzeit. Verfolgungsjagd – der Mistkäfer flüchtet vor einem Vogel und rennt und rennt, a tempo vom Orchester begleitet. Hochdramatisch, wenn der Mistkäfer – „stolz bin ich, das ist mein Stolz“ – die Prinzessin rettet und zum „kaiserlichen Hofmistkäfer“ aufsteigt, untermalt von einer Festmusik.
Jörg Schade ist ein hinreißender Erzähler, ein Wort-Illustrator, der die Kinder bei allem Spaß ernst nimmt, wie auch das so spielfreudige Orchester mit seiner jungen, so begeisternden Dirigentin. Eine hochkarätige Vorstellung, die von den Kindern mit begeistertem Applaus belohnt wurde. Und Sonderapplaus auch fürs Theater selbst, das so etwas möglich macht.
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