HAMELN. Was sich sonst schlicht in zwei Akte teilt – mit einer Pause, firmiert hier als „Login“ und „Reset“ – pausenlos. Mozarts „Zauberflöte“ als „#zauberflöte 3.0“. Ein Tanzabenteuer.
Ein Spiel, das sich Sarastro, Herrscher im Reich von Computer und Internet, mit der Königin der Nacht, Herrscherin der Gefühle, als Konkurrenzkampf ausgedacht haben. Ein reales Thesenpapier, Grundidee fürs Internet, feierte 2019 seinen 30. Geburtstag. Initialzündung für Raimondo Rebecks Choreografie, das Thema einmal auf der Bühne durchzuspielen. Am dritten Abend der 13. Hamelner Tanztheatertage zeigte das NRW-Juniorballett sein so reizvolles Tanzabenteuer der Gegensätze.
„Verstand und Emotion“ – auch „Segen und Fluch“ – vor allem: Sarastro kontra Königin der Nacht. Der Einsatz um Gefühle und Datenströme: Tamino, Pamina und Papageno. Das Spiel beginnt – ganz klassisch und elegant mit den beiden Kontrahenten und einem Pas de deux – während im Hintergrund Datenströme über den Schirm fließen. In der Folge: Monostratos versucht, Tamino auf seine und damit Sarastros Seite zu ziehen. Die Königin der Nacht schickt ihrerseits drei graziöse Damen ins Rennen um den jungen Mann für sich zu gewinnen. Und reizvoll im Wechsel: Geräuschkulisse, Pop und Mozarts Zauberflöte – getanzt wie gesungen.
Ein Kampf, der auch so stattfindet, auch ohne Internet, aber durch Bits und Bytes eine neue Dimension erfährt. Worum es geht: die virtuelle Welt sinnvoll zu nutzen oder an ihr zu scheitern. Und sie scheitern, die drei Probanden an den Prüfungen – diesmal nicht durch Feuer und Wasser – und gewinnen dennoch. Denn die Liebe – ganz und gar Gefühl – siegt auch hier.
Natürlich geht es in erster Linie um Tanz – und der: eine Mischung aus klassischem Ballett mit fantasievollen Elementen des Tanztheaters und herrlich komischen Einlagen. Wunderschön Paminas (Emma Grace Garrison) Variation hinter den Stäben ihres virtuellen Gefängnisses und der anschließende, ganz traditionelle Pas de deux mit Tamino (Arthur Henderson). Ganz große Klasse.
Zuvor schon eine der witzigsten Szenen der Opernliteratur mit den drei Damen, die jede Tamino gerne für sich alleine hätte – wunderbar leichtfüßig mit Florencia Paez, Júlia Figueras Ramirez und Rion Natori. Beeindruckend auch das Solo der Königin der Nacht (Konami Omachi) und später ihre so dramatische Rache-Arie.
So erschreckend wie beeindruckend: der Shit-Storm, der auf Pamina niederprasselt und dessen tänzerische Umsetzung – so amüsant zuvor noch das neckische Spiel mit den Handys.
Eine ebenso spannende wie unterhaltsame Choreografie um Gegensätze – und Mozart, der unvermittelt mit einem Wissenspool konfrontiert wird, von dem er noch nicht einmal träumen konnte. Und ein Kampf, der längst nicht entschieden ist.
Dafür entschieden: das NRW-Juniorballett als eine Nachwuchs-Compagnie, die auch diesmal wieder begeisterte – mit einem Thema, das immer stärker unser Leben bestimmt. Ausgang ungewiss.
Juniorballett mit „#zauberflöte 3.0“
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