HAMELN. Susanne Grünig ist Spezialistin, wenn es darum geht Musik kindgerecht in Konzerten zu servieren. Das bewies sie erneut beim Familienkonzert in der Marktkirche. Auf dem Programm standen die mitreißenden Chichester-Psalms Leonard Bernsteins, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Die Musik ist fetzig, aber nicht ganz einfach zu verstehen. So war es eine große Hilfe, dass die Wahlhamburgerin Grünig im Familienkonzert sowohl die Akteure als auch das Stück vorstellte.
Gleich zu Beginn zog die Hamelner Kantorei unter der Leitung von Kirchenkreiskantor Stefan Vanselow das Publikum in den Bann, als nach einem lauten Orchesterklang der Chor die kleinen und großen Zuhörer mit einem „Guten Tag, hallo!“ auf die ersten Töne von Bernsteins Stück begrüßte. Und dann folgte ein amüsanter Spaziergang durch die Musik, bei dem vielfältig erklärt wurde, wer was wann wie musiziert. Neben den einzelnen Chorstimmgruppen wurden auch die einzelnen Orchesterinstrumente vorgestellt. Besonders das vielfältige Schlagzeug bekam viel Beachtung und Applaus.
Bernstein hat in seiner Komposition der Zahl sieben eine besondere Bedeutung gegeben, so wie die Sieben auch für das Judentum und Christentum von großem symbolischen Wert ist. Sein genialer Einfall war, dass er den ersten Teil seiner Psalmen in einem 7/4-Takt geschrieben hat. Das ist weder für den Chor noch für das Publikum ganz einfach zu lernen. Susanne Grünig aber hatte die Idee: „Versuchen wir doch, das einmal nachzuklopfen. Und dabei sprechen wir die Worte ‚Oma – Oma – Opapa.‘“ Gesagt, getan. Allen machte das großen Spaß und öffnete die Ohren und Herzen für das Stück.
Dann kam die große Überraschung: „Bernstein hat für den mittleren Teil vorgeschrieben, dass ein Sopran singen soll, aber das darf keine Frau sein.“ Wie macht man das? Die Frage wurde mit Musik beantwortet. Zwei Harfen begannen mit einem Klang und dann erstrahlte in der Hamelner Marktkirche der klare Knabensopran von David Schilde (10), der eigens für die Konzerte aus München angereist war. Susanne Grünig führte ein Interview mit dem jungen Mitglied des Münchner Knabenchors und versuchte ihm zu entlocken, ob es denn vielleicht – unter ganz besonderen Bedingungen – auch ein Mädchen bei Jungen mitsingen könne. Fehlanzeige. David erklärte selbstbewusst, dass es dafür keine Chance gäbe.
Der Beschluss des Stücks endet bei Bernstein mit ungeheuer lang gehaltenen Tönen des Chores. „Wie macht man denn so etwas?“, wollte Susanne Grünig wissen und Stefan Vanselow erklärte: „Die Sänger halten den Ton so lange sie können und atmen nach, während ihr Nachbar weitersingt. Dann fädelt man sich wieder ein.“ Das wurde flugs mit dem gesamten Publikum ausprobiert und siehe da, es klappte hervorragend.
Mit großem Applaus bedankte sich das Publikum bei Grünig und allen Musikern. Die geforderte Zugabe fiel kurz aus, die Musiker mussten ja abends noch ein ganzes Konzert absolvieren.
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