HANNOVER. Vielleicht ist Alon Sariel tatsächlich für die Mandoline geboren. Zumindest hätte er wohl kaum zu dem exotischen Zupfinstrument gefunden, wenn er nicht in Be’er Scheva zur Welt gekommen wäre. Die Metropole im Süden Israels gilt inzwischen als so etwas wie die Hauptstadt der Mandoline, auch wenn sie so gar nichts mit dem Ursprung des Instruments im Italien des frühen 18. Jahrhunderts zu tun hat.
„In den Siebzigerjahren sind viele russischstämmige Musiker nach Be’er Scheva gekommen“, erklärt der 31-jährige Sariel. „Einer von ihnen, ein Geiger, hat sich bereit erklärt, Kinder an den Instrumenten zu unterrichten, die bis dahin ungenutzt im Keller der Musikschule herumlagen.“ Die Stelle des Geigenlehrers, auf die sich der Mann eigentlich beworben hatte, war nämlich schon besetzt. So wurde in der Stadt eher zufällig eine Tradition begründet, die heute zu erstaunlicher Blüte gelangt ist.
Die Mandoline erfreut sich nämlich seit einigen Jahren einer nie gekannten Beliebtheit auf europäischen Konzertpodien. Vor allem Avi Avital hat viel zur neuen Popularität des zuvor wenig beachteten Instrumentes beigetragen. Dem Israeli ist gelungen, was sonst nur Sängern, Geigern oder Pianisten vergönnt ist: Er ist ein Klassikstar, dessen Aufnahmen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerlisten stehen. Kein Wunder also, dass er es ist, der am 20. Oktober in Hannover die neue Saison der altehrwürdigen Pro-Musica-Konzertreihe eröffnet. Und natürlich kommt auch Avital, der etwas älter ist als Sariel, aus Be’er Scheva.
So ähnlich diese Wurzeln beider Musiker sind, so verschieden sind die musikalischen Wege, die sie eingeschlagen haben. Sariel hat sich nämlich anders als sein Kollege nicht nur auf die Mandoline beschränkt. Er ist auch ausgebildeter Lautenist, hat Barockharfe studiert und die Ausbildung zum Orchesterleiter absolviert. Die Inspiration dazu kam von dem Dirigenten Daniel Barenboim, mit dem Sariel in dessen West-Eastern Divan Orchestra zusammengearbeitet hat. „Ich hatte nur in einem Stück zu spielen“, erinnert sich der Musiker. „Bei den anderen Werken habe ich mit der Partitur auf den Knien in den Proben gesessen. Dabei ist der Wunsch gereift, selbst Dirigent zu werden.“
Gelernt hat Sariel das Kapellmeisterhandwerk schließlich an der Musikhochschule in Hannover, wo er auch seit sieben Jahren lebt. Statt großer Orchester leitet er hier lieber sein eigenes Ensemble Concerto Foscari, mit dem er aufwendige Programme entwickelt. Der Name bezieht sich auf den Palazzo Foscari in Venedig – die Residenz, in die sich die Welfen während der Karnevalszeit in Venedig zurückzuziehen pflegten. Der venezianische Karneval war die Blütezeit der Oper und der Musik, an die Concerto Foscari anknüpfen möchte.
Bei den Leibniz-Festtagen ist das Ensemble nun zweimal zu hören. Zur Eröffnung am Sonnabend, 2. September, erinnern die Musiker gemeinsam mit dem Schauspieler Dieter Hufschmidt an das hannoversche Religionsgespräch von 1704, das den Juden in der Stadt einige Freiheit brachte. Werke von Salomone Rossi und Johann Rosenmüller treten dabei in Dialog mit den historischen Aufzeichnungen über das Ereignis.
Zugleich ist auch die erste CD des Ensembles bei Berlin Classics erschienen, auf der sich Sariel und sein Concerto Foscari weniger konzeptionell als in den Konzerten, dafür aber umso sinnlicher präsentieren. „Telemandolin“ sind die Arrangements überschrieben, mit denen Sariel aus Stücken von Telemann, Abel und Fasch, die eigentlich für Geige oder Flöte gedacht waren, beste Werbung für die Mandoline macht. Und die wird gerne gehört: Auch Sariel hat es mit seinem besonderen Instrument bereits auf die Bestsellerliste der Klassikalben geschafft.
Termine und Karten: Am Sonnabend, 26. August, spielt Sariel im Duo mit dem Gambisten Alon Portal um 17 Uhr im Leibnizhaus. Die Konzerte von Concerto Foscari bei den Leibniz-Festtagen finden am 2. September und 14. November in der Neustädter Hof- und Stadtkirche. Karten für diese Termine gibt es unter der Rufnummer 0511/ 12123333. Am 6. Oktober stellt Sariel seine CD „Telemandoline“ bei Hugendubel vor.
Copyright © Deister- und Weserzeitung 2023
Texte und Fotos von dewezet.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.