HAMELN Die Ehrennadel der Stadt Hameln hatte er letztes Jahr bekommen, vor allem dafür, dass er seiner Heimatstadt stets die Treue gehalten hat. Der Kunstpreis der SPD-Landtagsfraktion wurde ihm bereits vor zehn Jahren verliehen, als Würdigung für sein Lebenswerk. Im Alter von 79 Jahren ist Reinhard Lange nach kurzem Krankenhausaufenthalt jetzt verstorben.
So viel Aufhebens war Reinhard Lange, einem der großen Gegenwartskünstler und Sohn dieser Stadt, eigentlich gar nicht recht. Jedenfalls nicht um seine Person, höchstens um seine Bilder. Und davon hat dieser Ausnahme-Maler eine schier unübersehbare Fülle geschaffen. Keine „harmlosen Bilder“, sondern in Besessenheit gemalte, rotzig-freche Werke, die den Betrachter zum Teil verstören, aber immer wieder auch hineinziehen und faszinieren.
Lange, 1938 in der „Alten Feuerwache“ in Hameln geboren, gehörte zu den Schülern des großen Berliner Künstlers des Informel, Fred Thieler, die 1964 in Berlin die Künstlergruppe „Großgörschen 35“ gründeten. Nach seinem Studium an der Hochschule der Künste Berlin bei Prof. Thieler und Prof. Zimmermann, der Zeit als Meisterschüler von Thieler und einem weiteren Studium der Kunstpädagogik war Lange von 1967 bis 1972 Kunsterzieher am Gymnasium Bremervörde und von 1972 bis 1997 Kunsterzieher am Albert-Einstein-Gymnasium in Hameln. Seit 1964 waren die Werke dieses Künstlers in zahlreichen Ausstellungen zu sehen – neben Hameln unter anderem auch in Berlin, München, Bielefeld, Essen, Bochum oder Enschede/Holland. Bis zu einem schweren Schlaganfall, der weitere künstlerische Tätigkeit einschränkte und ab 2004 unmöglich machte, arbeitete er unentwegt, fast wie ein Besessener.
Langes Arbeiten aus mehr als fünf Jahrzehnten sind voll von persönlicher Geschichte, von Eindrücken, von Stimmungen. Der Künstler hat seine Malgründe, darunter auch schon mal einfache Pappen oder Kartons, zerkratzt, geschunden und aus ihnen Brüche und Kontraste, Fehler und Unvollkommenheiten des Alltags herausgearbeitet. Immer hat er die künstlerische Radikalität, seine ganz eigene explosive Formen- und Farbensprache, konsequent ausgelebt und dabei ganz bewusst auf Gefälligkeiten verzichtet, oft zugunsten des Verstörenden. Nie hat er auf Trends gesetzt, sich keinem künstlerischen Diktat untergeordnet. Damit gilt der jetzt Verstorbene als einer der profiliertesten Künstler der modernen Malerei in ganz Deutschland. Seine Markenzeichen, ganz nebenbei, waren übrigens stets ein Glas Rotwein und eine Rothändle-Zigarette.
Privat galt Reinhard Lange eher als Eigenbrötler, als eine Art von Kauz, der sein großes Herz und seine wohl noch größere Empfindsamkeit gern hinter einer gewissen Ruppigkeit und einem durch und durch eigenwilligen Humor versteckte. Die engen Freunde des Künstlers, darunter vor allem Dr. Markus Hedemann und das Ehepaar Helga und Dr. Jürgen Pflugmacher, wussten diese Charakterzüge nicht nur einzuordnen, sondern auch zu schätzen.
Hedemann etwa, der sich immer an seinem freien Mittwochnachmittag mit dem Verstorbenen auf einen Whisky traf, pflegte mit Lange ein besonderes Ritual, das er fortan wohl vermissen wird. Zum Abschied nämlich sagte er immer: „Danke für den Whisky“, und der Künstler antwortete jedes Mal: „Danke für den Besuch.“ Als sich die beiden an einem Mittwoch mal eine halbe Stunde lang angeschwiegen hatten (etwas, was Reinhard Lange sehr, sehr gut konnte), hieß es wieder: „Danke für den Whisky“, und die Antwort lautete, typisch fürReinhard Lange: „Danke für das Gespräch.“
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