AERZEN. Die äußeren Umstände stimmen schon mal. Bei Gute-Laune-Wetter geht in einer der optisch fröhlichsten Kirchen in der Region die Eröffnung der Musikwochen über die Bühne – und die drei Stücke haben es in sich.
Mit „Sinfonie fürs Wohnzimmer“ ist das Programm überschrieben: Komponisten haben im 19. Jahrhundert häufig eine Bearbeitung ihrer Werke entweder nur für Klavier oder für eine viel kleinere Besetzung veröffentlich – „wenn man damals Musik hören wollte, konnte man nicht das Radio anschalten, zu You Tube gehen oder streamen, sondern musste selbst spielen“, erklärt Kreiskantor Stefan Vanselow.
Am Sonntag erklingen drei Werke gleich zweimal, um 16 und um 18 Uhr. Brahms, Beethoven und Glanert sind die Komponisten, Mitglieder des „Ensemble Antico“, gute Bekannte in der Marienkirche, führen unter der Leitung von Vanselow die Stücke auf.
Getragene Töne von Johannes Brahms – der seine Bewunderung für den Kollegen Robert Schumann häufig durch Bearbeitungen von dessen Werken gezeigt hat. Das Fagott von Alp Çivici wagt einen kurzen, fröhlichen Anfang, bevor die zarten Geigentöne wieder Melancholie verbreiten. Positiv wirkt dagegen der nächste Teil: Durch gezupfte Pizzicati nimmt die „Variation“ deutlich an Fahrt auf. Einige unsaubere Töne und Tempi gehen in der wunderschönen Melodie auf.
Wie so oft in Kirchen sind die Zuhörenden unsicher, ob sie nach den einzelnen Stücken klatschen sollen – eine lange, stille Pause entsteht, bis auch der letzte der Musikanten die Spannung nicht mehr hält. Vanselow gibt vor dem zweiten Stück eine sicher gut gemeinte Lehrstunde in Harmonielehre; er hätte vielleicht besser daran getan, dass „Chaconne“ des zeitgenössischen, Opus-Klassik-preisgekrönten Komponisten Detlev Glanert ein Werk der Neuen Musik ist. Es ist dementsprechend viel sperriger als das Brahms-Kammerstückchen; die „Neue Musik“ hat auch heute noch recht schwer Einzug in die althergebrachten Hörgewohnheiten gehalten.
Das spiegelt sich auch in den Mienen im Publikum wider: Von Langeweile über Belustigung und Befremden war alles dabei. Kalkuliertes Risiko der beiden musikalischen Leiter der Festivalwochen, Vanselow und Christiane Klein, der Kreiskantorin im Kirchenkreis Holzminden-Bodenwerder.
Versöhnlich dann am Ende die 2. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Nach einem kurzen Stellungswechsel sind es nun sechs Damen und drei Herren, die dem bekannten Thema ihren kammermusikalischen Stempel aufdrücken. Wenn man die Augen schließt, meint man, ein großes Orchester zu hören – und das ist ein Kompliment sowohl an die neun Mitglieder des Ensembles mit ihrer Spielfreude als auch an die Akustik in der Marienkirche.
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