HAMELN. „Save the planet – kill yourself“ – und im selben Bild, das als „Meister Ekkehard“ betitelt ist, finden sich auch „wir müssen verzichten“ und „Dein eigenes Ich muss zunichte werden“. Radikale Forderungen. Dieter Zirkel, der seine Ausstellung „Palimpseste“ nennt – was neu beschriebene, alte Pergamente bedeutet, die er, vor allem die großformatigen Arbeiten, schlicht auf einen festen Untergrund pinnt.
Seine grandiosen, so vielschichtigen Arbeiten, deren Grundierung Landschaften scheinen, auch Mauern, bilden die Basis für ein Gewirr von Schriften, Zitaten und Graffiti. „Kritzelbilder“, wie es im Vorwort zu einem Katalog Zirkels heißt.
Ein enzyklopädischer Geist, der sich am Materiallager der Kultur bedient. Einer, dem die Welt wichtig ist. So zeichnet und aquarelliert er sie als „fürchterliche Welten“, wie sie „arche“-Chef Prof. Wulf Schomer nannte, um sichtbar zu machen, was wir aus ihr gemacht haben und die seit Freitagabend in der „arche“ zu bestaunen sind. Seine schriftlichen Botschaften – mal plakativ, dann versteckt im Gewirr unterschiedlichster Zeichen und Bildzitate, die sich ineinander verflechtend verdichten – auf Griechisch, Latein, unterschiedlichen Sprachen. „Sich fügen heißt lügen“ steht neben „Guerre aux chateau“ – was bei Büchner „Krieg den Palästen“ heißt und hier „Friede den Hütten“ ausspart.
In einem der großformatigen Bilder „Labyrinthus“, einer geheimnisvollen Komposition, heißt es „media vita in morte sumus“, Luthers „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. In „Lost Persons Area“ – auf der Einladungskarte zur Ausstellungseröffnung als Ausschnitt gedruckt, findet sich „Srebrenica“ wie eingeritzt und ein Ausschnitt aus Picassos „Guernica“ als Zitat.
Düstere Bilder zumeist wie „Die Wüste Eden“ – Sinnbild, was wir aus dem einstigen Paradies gemacht haben. Im Turm und der Galerie Arbeiten aus den 70er und 80er Jahren in altmeisterlicher Aquarelltechnik. Auch hier Wunden, Zerstörungen wie im „Haus mit Bauchwunde“ – Zadkine zitiert und in ein zerstörtes Rotterdam gesetzt und das Reiterstandbild des Colleone auf einen Schrottplatz gestellt – Titel: „Colleone der Zukunft nachsinnend.“
Ein Auftakt wie ein Donnerschlag – und nicht nur Düsternis, denn die malerische Meisterschaft Zirkels lockt zwar immer wieder ins Labyrinth – ins immer geheimnisvolle des Minotaurus – ist aber immer auch sinnlicher Genuss. So bietet diese so eindrückliche Ausstellung beides: Grandiose Malerei und das Engagement, den „endgültigen Massen-Suizid der Spezies homo sapiens“, wie es Zirkel einmal ausdrückte, doch noch zu verhindern.
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