Rinteln (wm).
Sollte Rinteln eines Tages ein wirklich ernsthaftes Hochwasser drohen mit Wasserständen von über sechs Meter wie in den Jahren 1981, 1995 und 2002, kann sich die Stadt inzwischen auf eine THW-Fachgruppe "Wassergefahren" stützen mit Boots- und Kranführern, die zum zweiten Mal Erfahrungen bei extremen Hochwasser gesammelt haben.
Wie schon beim Elbehochwasser 2002 waren auch diesmal die Spezialisten der Fachgruppe aus Rinteln an der Elbe dabei. Stefan Frühmark: "Es war fünf vor zwölf, als wir in Dannenberg eingetroffen sind. Der Deich war schon durchgeweicht und drohte aufzuschwimmen und dann wegzurutschen, das schlimmste mögliche Szenario, schlimmer als wenn Wasser über die Krone läuft. Dannenberg wäre abgesoffen". Einige der Rintelner waren bereits 2002 in Schöneberg mit dabei und wussten, was auf sie zukommt. "Wir haben mit unseren drei Booten um die Wette mit drei Hubschraubern Sandsäcke zur Deichsicherung herangeschafft", schilderte Stefan Frühmark "und waren besser als die Hubschrauber". Dazu sei eben die maximale Zuladung der Pontons ausgereizt worden. Vom Freibord zum Wasser hätten oft nur Zentimeter gefehlt. "Ein Glück, dass kein Wind und Wellengang war". Verladen wurde von einer Brücke, "die stand aber unter Wasser, das war aber mehr ein Steg", drei Meter hoch habe das Wasserüber dem Grund gestanden: "Wir wollten uns lieber nicht ausmalen, was passiert, wenn der Deich bricht." Doch ohne Bundeswehr hätte das nicht geklappt, sagen alle, es war die Arbeitsteilung, die den Erfolg gebracht habe: Das THW mit seinen Spezialisten, die "Bundis" mit Men-Power. "Völlig schmerzfrei" hätten die jungen Soldaten die Sandsäcke in die Boote gewuchtet: "Die haben einfach nicht aufgehört. Wir mussten Halt schreien, sonst wäre die Boote überladen abgesoffen."
Wie Markus Kuhlmann schilderte, THW-Ortsbeauftragter, werde man auch die beim zweiten Elbehochwasser gesammelten Erfahrungen mit in die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Arbeitsgruppe für den Hochwasserschutz mit einbringen.
Eine Initiative der Stadtverwaltung mit dem Ziel, wie in Nordrhein-Westfalen einen "Hochwasseraktionsplan" zu erarbeiten. Ein erstes Gespräch, berichtete Kuhlmann, habe bereits stattgefunden. Nach den Erfahrungen an der Elbe, erläuterte Kuhlmann, sei vor allem die Logistik in solch einem Krisenfall entscheidend: "Wenn sie 200 Helfer haben und sie kriegen die nicht verpflegt, haben sie ein ernsthaftes Problem." Die ersten 24 Stunden, erzählten die Helfer aus Dannenberg "haben wir von Schokoriegeln gelebt." Bedingt durch eine fehlende Führungsstruktur habe man in Dannenberg oft improvisieren müssen: Wo kriegt man mitten in der Nacht Sprit für den Kranwagen her? Kurz vor Motorstillstand sei es schließlich gelungen einen Tankwagen herbeizutelefonieren; "Eigentlich nicht unsere Aufgabe". Was tun wenn eine Bootssicherung ausfällt? Selber eine basteln.
Sei 2002 an der Elbe noch ein Dreischicht-Dienst organisiert worden, habe man in Dannenberg 20 Stunden durchgearbeitet.
Ein großes Dankeschön sagt Markus Kuhlmann allen Arbeitgebern, die ohne Murren die THW-Helfer haben ziehen lassen. Selbstverständlich sei das nicht, denn anders als bei einem Feuerwehreinsatz, der im schlimmsten Fall mehrere Stunden dauere, seien THW-Helfer oft tagelang unterwegs: "Wäre der Deich bei Dannenberg gebrochen, wir wären Ostern nicht zu Hause gewesen".
Kuhlmanns zweite Bitte: Das THW sucht dringend Helfer. Man müsse dafür keine handwerkliche Ausbildung haben, auch "Schreibtischtäter" seien willkommen, die Verwaltungsarbeiten erledigen.
Der ständige Personalbedarf beim THW sei auch eine Konsequenz der geringeren Wehrpflichtigenzahlen. Zu 80 Prozent habe sich früher das THW aus jungen Leuten rekrutiert, so Kuhlmann, die den Hilfsdienst als Alternative zum Waffendienst gewählt hätten. Die fehlen heute.
Wer also mal vorbeischauen will: Die Helfer treffen sich jeden Freitag ab 18 Uhr auf dem THW-Gelände im Industriegebiet Süd.
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