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Zu einer Stippvisite bei der "Schaumburger Landschaft" und beim Fürstenhaus Schaumburg-Lippe war der Hamburger Journalist Theo Sommer (75) zu Gast in Bückeburg (wir berichteten). Sommer war von 1973 bis 1992 Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", danach bis März 2000 deren Herausgeber. Seitdem ist er "Editor at Large", eine Art freier Herausgeber. Mit Chefredakteur Frank Werner und Stefan Rothe sprach der Publizist in unseren Redaktionsräumen in Bückeburg über die aktuelle Situation der Zeitungen im bewegten Medienmarkt.
Herr Sommer, es wird viel von einer Zeitungskrise geredet. Wie tief geht die und welche Veränderungschancen sehen Sie, Zeitungen zukunftsfähig zu halten?
Wir leben in einer Zeit desÜbergangs mit miteinander konkurrierenden Medien, wo das lesende Publikum sich noch nicht entschieden hat, wieweit es der Zeitung treu bleibt. Es gibt ja einen Trend zu schwindenden Auflagen. Ich glaube aber, dass die Zeitung letztlich doch das Medium bleibt, das am meisten Hintergrund, Aufklärung und Lösungsmöglichkeiten bietet. Das rauscht nicht so an einem vorbei wie das Fernsehen und fällt auch nicht so über einen her mit der ganzen Wucht der Informationsfülle wie das Internet. Der sortierende, urteilende Journalismus wird auch weiterhin gefragt bleiben
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in einer Phase, in der das politische und gesellschaftliche Geschehen eher unübersichtlich ist.
Ja. Es ist schon so, dass unsere Parteien augenblicklich in einer Phase stecken, wo ihr Angebot dem Publikum eher unklar, das Profil undeutlich ist. Diese Fronten werden sich auch mal wieder etwas besser klären. Aber manches ist schon anders als früher: Es war relativ einfach, für oder gegen die Ostpolitik von Willy Brandt zu sein.
Wenn ich dagegen bedenke, mit welchen technischen Details sich die heutigen Journalisten herumschlagen müssen - Gesundheitsreform, Steuerreform oder die 87. Novelle irgend eines sehr technischen Einzelgesetzes - dann ist der Journalismus sehr viel schwieriger geworden. Oft ist es doch so: Wenn ich ein Thema verstanden habe, dann kann ich schon nicht mehr darüber schreiben.
Bietet diese Unübersichtlichkeit aber nicht gerade auch besondere Chancen für Printmedien?
Natürlich. Wir müssen in dieser Zeit der Unübersichtlichkeit für unser Publikum versuchen, die Nachrichten zu sichten und zu sieben. Sagen, was wichtig daran ist, was richtig und was falsch.
Auch Orientierung geben?
Aber ja. Dasübrigens kann Teil der wichtiger werdenden Rolle von Wochenzeitungen sein. Je mehr wir überflutet werden von Informationen, deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht erkennbar wird, desto mehr können wir versuchen, da eine Ordnung reinzubringen - Probleme und Lösungsvorschläge analysieren.Auch die Tageszeitungen werden sich in diesem Sinn mehr und mehr in Richtung Wochenzeitungen entwickeln müssen. Das heißt mehr Hintergründe, mehr Analyse, mehr Kommentierung. Wir haben als Wochenzeitungen neuerdings wieder ein Auflagenplus. Allerdings ist das mit einem enormen Marketingaufwand verbunden. Früher dachten wir, wenn wir ein gutes Blatt machen, wird der Leser schon kommen. Heute sehen wir, wir müssen an den Leser aktiv ran.
Wie schätzen Sie die Rolle des Internet ein?
Das Internet hat eine stützende Rolle - nicht eine, die die Printmedien langsam aus dem Geschäft drängt. Das gilt vor allem für die Wochenzeitungen.
Wir haben uns alle sagen müssen, es reicht nicht, nur einmal in der Woche zu erscheinen. Im Internet-Zeitalter müssen wir auch zwischendurch präsent sein. Vielleicht entsteht da sogar mal etwas Eigenständiges.
Auch das Anzeigengeschäft wird im Medienmarkt immer umkämpfter. Wie sollen Zeitungen damit umgehen?
Die einzige Möglichkeit ist, dass die Zeitungsverlage versuchen, das Anzeigen-Aufkommen im Internet zu ergattern. Wie sich das Einkommen dann langfristig verteilt auf Print oder auf Online, das halte ich für noch nicht ausgegoren.
Die strategische Abwehrmöglichkeit der Zeitungsverlage gegen die Konkurrenz des Internet ist sehr stark - nämlich einfach indem man es in die eigenen Hände nimmt.
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