In Aarberg folgt der erste Höhepunkt, bei Kilometer 20 überqueren alle die uralte Holzbrücke, auf der jubelnde Zuschauer dicht gedrängt stehen und die Läufer lautstark empfangen. Weiter geht es unter sternenklarem Himmel Richtung Lyss und dann über unzählige Hügel bis zur flachen Ebene des Limpachtales. Bei Oberramsern ist Kilometer 40 erreicht. Für die Teilnehmer des Nachtmarathons ist nun Schluss, die beiden Ultramara-thonis beneiden sie ein wenig, laufen jedoch nach einem kurzen Verpflegungshalt weiter. Das Läuferfeld zieht sich immer mehr auseinander. Still und dunkel ist es auf der Strecke, viele Läufer sind wie bei einer Prozession gleich in sich gekehrt. Dieses sind die nächtlichen Momente, die den Lauf zu einem Mythos haben werden lassen. Kleine Ansiedlungen wie Ammerzwil, Etzelkofen oder Grossaffoltern, sonst eher ein beschaulich-ländliches Dasein fristend, entwickeln in dieser Bieler Nacht eine ungeahnte Partyatmosphäre. Von überall schallt den Läufern ein lautes „Hopp, hopp, hopp“ entgegen. Reimann lässt sich durch die ausdauerndern Zuschauer, die bis tief in die Nacht an der Strecke verweilen, mehrfach zu einem augenzwinkerndem „Haltet durch“ hinreißen.
Bald erreichen sie Kirchberg bei Kilometer 56. Hier wird die große Verpflegungsstation mit Brot und Bouillon genutzt, denn nun kommt der Emmendamm, ein unwegsamer zehn Kilometer langer Abschnitt. Baumwurzeln und glatte Steine auf dem schmalen Pfad erschweren das Vorankommen. Die Beine werden müde und es ist immer noch stockdunkel.
Endlich, hinter der Utzendorfer Brücke kurz vor 5 Uhr in der Früh, erwacht der Tag. Die beiden genießen die Vegetation und die morgendliche Stille, alle Alltagssorgen scheinen weit weg. Bald schon aber sind sie zurück in der Zivilisation, sie erreichen in Gerlafingen bei Solothurn bebautes Gebiet. Auf asphaltierten Wegen geht es nun Richtung Westen. Die Siedlung Bibern bei Kilometer 76 ist einer der Schlüsselstellen des Laufes, denn nun kommt die gefürchtete Steigung hinauf auf den Kamm des Bucheggberges und später lang anhaltend hinunter nach Arch. Den beiden heimischen Läufern schmerzen die Oberschenkel und sie finden keine Ruhe, das grandiose Panorama auf das Schweizer Juragebirge zu genießen. Aber aufgeben wollen sie nicht. Schließlich sind es nur noch 20 Kilometer bis zum Ziel – entlang der Aare, die Hochwasser führt. Die morgendliche Sonne scheint unaufhörlich auf Reimann und Dempewolf, die sich nun immer wieder gegenseitig anfeuern. Trotzdem werden die letzten Verpflegungsstationen nur im Vorbeilaufen angesteuert, zu schwer ist mittlerweile das Wiederanlaufen.
Bei Brügg, einem Vorort von Biel, verkündet ein Schild nur noch fünf Kilometer. Jetzt wird jeder Meter gezählt. Ein letztes Mal beißen die Läufer die Zähne zusammen, die Knie schmerzen, noch eine Kurve, dann ist die Innenstadt erreicht. Man kann den Trubel vor dem Bieler Kongresszentrum und den Zielsprecher hören. Endlich öffnet sich der Zielkanal, laustarker Jubel brandet auf, zuerst geht es stimmungsvoll durch ein gefülltes Festzelt, dann folgt der ersehnte Zieleinlauf. Mit einem Jubelschrei überqueren die beiden Freunde gemeinsam nach elf Stunden und 39 Minuten die Ziellinie. Sie umarmen sich und verharren erschöpft einige Minuten im Zielbereich. Die Gedanken gehen zu ihren Familien, denen während des intensiven Trainings der vergangenen Monate Geduld abverlangt wurde.
Glücklich wird die Nachricht über den Erfolg und Wohlergehen nach Hause übermittelt. Am Ende sind sich beide einig: „Das Laufen unterm Sternenhimmel und in den Sonnenaufgang hinein war fantastisch. Wir sind stolz, das Abenteuer gemeistert zu haben.“
Den Ultralauf von Biel haben Dirk Reimann und Eike Dempewolf durchgehalten. Wie bei einer Prozession sind die Läufer in der Nacht in sich gekehrt, sie atmen auf beim Sonnenaufgang und sind megastolz beim Erreichen des Ziels.