Rinteln.
Eins ist sicher: Mein zwölfjähriger Sohn hört besser als ich. Das hohe Sirren eines angeschalteten Fernsehers oder Computers, das mein Gehör schon längst nicht mehr erreicht, nimmt er sogar aus einem entfernten Zimmer noch wahr. Sehen wir zusammen einen Film an, muss ich die Lautstärke immer noch ein bisschen höhereinstellen, wenn er sie gewählt hatte, und sobald er nebenbei ein bisschen redet, verstehe ich überhaupt nichts mehr. Das macht mir ein bisschen Sorgen.
Als mein Vater, so wie ich jetzt, Mitte 40 war, da ging es ihm genau so wie mir - ich weiß noch gut, wie er immer wieder ausprobierte, ob er den hohen Fernsehton wirklich nicht mehr hören kann. Inzwischen ist er wirklich schwerhörig geworden, und vor allem in Gesprächen mit vielen Menschen hat er kaum noch eine Chance, die Dinge richtig zu verstehen. Meine Großmutter hörte im Alter so schlecht, dass sie immer glaubte, wir wollten sie ärgern, indem wir auf scheinbar unverständliche Weise mit ihr reden. Soll es mir einmal genauso gehen?
Nun steht da also das Hörmobil, die Chance, sich kurzentschlossen Klarheit zu verschaffen. "Da sind Sie nicht die Einzige", meint Optiker Jörg Reinecke. "Viele der Leute, die heute hier einen Test gemacht haben, wären dafür nicht extra zum Hörgeräteakustiker gegangen, obwohl sie bereits ahnen, dass sie nicht mehr gut hören. Die Hemmschwelle bei Hörgeräten ist wirklich sehr groß!"
Die meisten Testabsolventen waren allerdingsältere Menschen, kein Wunder, normalerweise beginnt ein Hörverlust erst mit etwa Mitte 50. Ich darf trotzdem für einen differenzierten Test im Innern des Hörmobils Platz nehmen, bekomme einen Kopfhörer aufgesetzt, der mit dem Computer verbunden ist und soll ein Handzeichen geben, sobald ich einen Ton höre. Weyrauch lächelt erwartungsvoll, aber ich höre nichts. Immer noch nicht. O je... Aber nun, ganz weit entfernt, summt es endlich im rechten Kopfhörer. Taub bin ich wohl also nicht.
Der Test prüft mit ganz tiefen und ganz hohen Tönen, deren Lautstärke langsam gesteigert wird, in welchen Grenzen sich die Hörfähigkeit des Getesteten bewegt. Eine Mücke zum Beispiel macht für 20 Dezibel Lärm, trotzdem spricht man von einem Hörverlust erst, wenn man mehr als 30 Dezibel Lautstärke braucht, um etwas zu hören. Und obwohl ein Säugling Frequenzen wahrnimmt, die im Bereich von 20 bis hin zu 20
000 Hertz liegen, ist ein erwachsenes Hören zwischen 200 bis 8000 Hertz immer noch alltagstauglich.
Leise, so schrecklich leise kommen mir die Testtöne vor, am liebsten würde ich mir eine Hand zur Verstärkung hinters Ohr halten (was tatsächlich das Hörenkönnen im Alltag fast verdoppelt). Die Ergebniskurve auf dem Computerbildschirm zeigt aber zu meiner Erleichterung, dass sich bisher noch alle Punkte im Normbereich finden. Allerdings: "Ein Hörverlust deutet sich tatsächlich an", so Jörg Reinecke. Ich habe es gewusst.
Und was kann ich nun tun? Gegen eine erblich bedingte Schwerhörigkeit ist kein Kraut gewachsen. Wer aber ein modernes Hörgerät benutzt, das genau auf die eigenen Schwächen eingestellt ist, kann den Hörverlust ausgezeichnet kompensieren. Meine Großmutter hatte sich immer geweigert, ein Hörgerät zu benutzen. Mein Vater zögert, weil er Nachteile durch Nebengeräusche befürchtet. "Das ist kein Problem mehr", sagt Reinecke. "Die Geräte können inzwischen so gut filtern, dass sie sich auf die Hörsituation einstellen."
Von den 120 Menschen, die am Hörtest teilnahmen, benötigen 40 ein Hörgerät. Ob sie es sich wohl wirklich anpassen lassen werden? Ich jedenfalls bin seelisch darauf vorbereitet und werde es tun. Wenn es denn so weit ist.
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