Rinteln (who).
Die Stadt hält das Gedenken an Franz von Dingelstedt hoch. Aus Anlass seines 125. Todestages sind Leben und Wirken des berühmten Rintelners Schwerpunktthema des Museums in der Eulenburg. Einen Abend lang hat Herbert Röhrkasten aus Texten des Meisters rezitiert.
Röhrkasten ist bekannt durch seine heimatkundlichen Vorträge sowie als Lehrer am Gymnasium Ernestinum, dessen Musterschüler Dingelstedt einst gewesen ist. "Das ist jetzt Neuland", bekannte Röhrkasten, bewältigte die Aufgabe aber gekonnt und gewohnt entspannt. Dass er neben geläufigen Versen die heute überwiegend unbekannten Texte inmitten der Gründerzeit-Möbel des "Dingelstedtzimmers" vortrug, verlieh dem Abend zusätzlich Authentizität. Die beiden jungen Streicherinnen Eva Hänsel und Karin Boczek von der Kreisjugendmusikschule sorgten mit ihren zeitgenössischen Musikeinlagen für weiteres Original-Kolorit, nicht zuletzt unterstützt durch die Büste Dingelstedts mit seinem überlieferten strengen und kritischen Gesichtsausdruck.
Museumsleiter Stefan Meyer hatte Dingelstedts Biografie vorausgeschickt: Der bekennende Liberale sei mit großen Schriftstellern und Komponisten in Berührung gekommen, darunter Heinrich Heine, Victor Hugo und Franz Liszt. Nach der Revolution von 1848 in den deutschen Teilstaaten habe er sich an die politischen Verhältnisse angepasst, um seinen aufwändigen Lebensstil beibehalten zu können.
Der Nachtwächter ist eine Gestalt, die sich immer wieder in Dingelstedts Geschichten zu Wort meldet. So hat Röhrkasten gerade ihn zu Wort kommen lassen. "Cosmopolitische Lieder eines Nachtwächters" lautet der Titel eines Werkes, in dem Dingelstedt immer wieder seine verpackte oder deutliche Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit, an Regierungen, dem noch beherrschenden Adel und dem systemkonformen und politisch unbeweglichen Bürgertum anklingen lässt.
Röhrkasten gelang es, die kritische Haltung Dingelstedts durch Sprache und Gestik herauszuarbeiten und ihn so buchstäblich selber zu Wort kommen zu lassen, dass Unbehagen und Kritik des Urhebers sich den Zuhörern förmlich aufdrängte. Insgesamt zeigte sich eine ganz andere Seite als die des vermeintlichen Romantikers Dingelstedt, der das bekannte Weserlied geschrieben und hier "so manches liebe Mal mit meiner Laute" gesessen hat.
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