Ein Etikett wie ein Orden: Die von Mama sind die besten. Und die von Oma auch – was fast dasselbe ist. Kein Wunder also, dass sie überall etwas anders heißen, sozusagen einen Familiennamen besitzen, auch wenn der sich auf ganze Regionen bezieht und als Frikadellen zum kulinarischen Begriff wurden. Der allerdings längst zum „Burger“ mutierte und so ein eigenes Leben führt.
Was den Berlinern ihre Buletten, die sich vornehm auch Bouletten schreiben, abgeleitet vom französischen „boule“ für Kugeln – genauer: „boulet“, das für kleine Kanonenkugeln steht. Allerdings waren es nicht die Hugenotten, wie es gerne heißt, die sie mit ins preußische Asyl brachten – es waren wieder einmal Napoleons Truppen, die sie in Berlin heimisch werden ließen – ähnlich dem bayerischen „Böfflamott“, das im Original ein „Boeuf à la mode“ war.
Wenn wir schon in Bayern gelandet sind, hier nennen sie sich Fleischpflanzerl. Was nicht heißt, dass sie deshalb vegetarisch aus der Pfanne auf den Tellern landen. Denn das Pflanzerl hat die Pfanne im Stamm, hieß Pfannzelte, wobei „Zelte“ für flache Kuchen steht und nebenan in Baden-Württemberg, aber auch in Franken deshalb Fleischküchle heißen. Ein Stückchen weiter nach Osten, in Thüringen, sind es die „Huller“, was sich auf die Rollbewegung der Hände bei der Entstehung der Kugeln bezieht, die dann sanft etwas flach gedrückt werden.
Das Ausgangsprodukt nennt sich je nach Region Hackfleisch, meist halb und halb, Gehacktes, Faschiertes (durch den Wolf gedreht), Gewiegtes, mit dem Wiegemesser zubereitet, Mett (nur vom Schwein) oder Haschee vom französischen hacher, hacken. Was den Schweizern ihre „Hacktätschli“ von „getätscht“, also flachgeklopft, sind den Österreichern ihre „Fleischloaberln“ – eigentlich „Laibchen“, wie der „Laib“ beim Brot und um das „chen“ kleiner. Weiter geht’s vom „Deutschen Beefsteak“ – was auf Sparsamkeit schließen lässt und aus Rindfleisch besteht - zum bescheidenen Hacksteak und dem Bratklops.
Es gibt noch viele liebevolle Verballhornungen von „Bremsklotz“ über „Löwenköttel“ und „Radfahrerpastete“ bis zu „Geheimnisträger“. Denn wie’s da drin aussieht, geht niemand was an. Aber genau das macht sie so wichtig, weil hier Verwendung findet, was sich nicht zum Solo eignet. Wie immer ist das Einfache zwar einfach, verlangt aber besondere Zuwendung. Wer glaubt, dass sich Frikadellen so nebenbei und quasi von selbst machen, wird nie mit Mamas Hackkünsten mithalten können.
Bei 500 Gramm gemischtem Hackfleisch etwa 60 Gramm zerkleinertes, altbackenes Weißbrot in jeweils 100 ml Wasser und Milch für mindestens 15 Minuten einweichen. Als ganzes Brötchen dazwischen wenden. Dazu kommen 80 Gramm gewürfelte Zwiebel und die gehackten Blätter von einem halben Bund Petersilie. Zwei EL Öl mit zwei Teelöffel Butter in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebel andünsten. Wenn sie glasig ist, kurz die Petersilie dazu geben. Abkühlen lassen.
Das Brot gründlich ausdrücken und mit dem Hack, den Zwiebeln mit der Petersilie und 1 Ei sowie Salz und Pfeffer vermischen. Mit feuchten Händen etwa sieben bis acht Frikadellen formen und abgedeckt für 15 Minuten kalt stellen. 3 EL Öl in einer Pfanne erhitzen und die Frikadellen goldbraun anbraten. Im auf 200 Grad vorgeheizten Ofen rund zehn Minuten fertig garen. Entweder sofort mit Bratkartoffeln, Gemüse – es eignet sich fast alles, was der Markt hergibt – und Salat servieren oder erkalten lassen und später als Brotzeit mit Senf auf den Tisch bringen. Und wenn der Nachwuchs lieber Ketchup hat – wo ist das Problem?
So viele Familien – so viele Rezepte. Beliebt als Beigabe in den Pflanzerln auch klein gewürfelte Möhren und Staudensellerie, statt einem auch mal zwei Eier und Senf gleich mit verknetet und zusätzlich mit Cayennepfeffer gewürzt. Vor allem in der Mittelmeer-Region wird gerne Schafskäse eingearbeitet. Und natürlich gibt es die Frikadellen auch mit Lamm, Hühner- oder Putenfleisch und aus kleingehacktem Fisch. Beliebt auch die Beigabe von Semmelbröseln – in manchen Gegenden werden die etwas flach gedrückten Kugeln auch in Bröseln gewälzt, bevor sie in der Pfanne landen. Für sie alle gilt das bayerische Credo: „Es gibt nix Besseres wia was Guats.“