Steinbergen.
"Später haben wir immer darauf gewartet, dass wir sterben werden..." - diese Worte eines Kindes aus der Ukraine, das bei dem Reaktorunfall in Tschernobyl verstrahlt worden war, konnte man im Kino Steinbergen hören. Die Rintelner Grünen hatten anlässlich des 20. Jahrestages eingeladen zum aktuellenFilm "Die Wolke" und zusammen mit der Rintelner Aktionsgemeinschaft "Kinder in Not, Gomel" eine kleine Einführung veranstaltet.
Ratsfrau Ursula Helmhold erinnerte sich dran, wie sie vor 20 Jahren, an einem wunderschönen Tag auf der Rintelner Maimesse, vom aufgestörten Besitzer des damaligen Bioladens "Keimling" angesprochen worden sei, wieso sie hier mit ihren kleinen Kindern draußen herumlaufe - ob sie es denn nicht wisse? Nein - gerade erst hatten alle mit dreitägiger Verspätung vom Unfall in der Ukraine erfahren. Dass man auch in Deutschland von einer radioaktiven Wolke gefährdet sei, davon hatte sie noch nichts gehört.
Auch die unmittelbar betroffenen Familien in der Ukraine wussten erstmal gar nichts. In Militärbussen wurden sie für die Evakuierung eingesammelt, wobei sie überhaupt nichts mitnehmen durften. Kleidung und Bücher, Teddy, Puppe und der Hamster - alles verstrahlt. Später wurden ihre Häuser mit allem, was drin war, von Baggern eingeebnet. In den kleinen Berichten der Kinder, die im Kinovorgelesen wurden, wird erzählt, wie die Menschen überall angstvoll zurückwichen, wenn sie den "strahlenden" Flüchtlingen aus Tschernobyl begegneten.
Der Film "Die Wolke", den Regisseur Georg Schnitzler nach dem gleichnamigen Roman von Gudrun Pausewang (1987) drehte und der im März diesen Jahres in die Kinos kam, bringt die Atomkatastrophe nach Deutschland. Ein Atomkraftwerk bei Frankfurt explodiert und eine ungeordnete Panik bricht aus: Die Menschen fliehen vor der radioaktiven dunklen Regenwolke. Die Mutter der 16-jährigen Hannah ist in der verseuchten Sperrzone gefangen, Hannah fährt allein mit ihrem kleinen Bruder auf dem Fahrrad los und hofft, den rettenden Zug zu erwischen.
Schlagartig sind die kleinen Städte und Dörfer entvölkert, Papier wirbelt umher, Haustüren stehen sperrangelweit offen.
Die Straßen dagegen sind mit Autos verstopft, vor den Bahnhöfen schubsen rücksichtslose Menschenmassen, wer nicht kämpft, bleibt zurück, geht unter. Hannahs Bruder wird in einer (unnötig) schockierenden Szene von einem Auto zerschmettert. Diese Bilder sind durchaus eindrucksvoll und zwingen die Zuschauer, darüber nachzudenken, wie sie selbst im Katastrophenfall reagieren würden. Dass es sich dabei um einen Reaktorunfall handelt, und nicht um einen "Twister" oder das große Erdbeben oder einen Krieg, das spielt allerdings nur am Rande eine Rolle, erst recht im zweiten Teil des Filmes, wo Hannah in einem Krankenhaus ihren Freund wieder findet. "Von einer Seifenoper unterscheidet sich das nur durch Hannahs Haarausfall", schreibt ein harter Kritiker.
Trotzdem zeigten sich die Zuschauer in Steinbergen sehr bewegt und diskutierten noch lange in kleinen Gruppen. Ursula Helmhold hatte zu Beginn die vielfältigen Gefahren der Atomkraftnutzung benannt, die, wie sie befürchte, dem "kollektiven Vergessen" anheimfallen könnten, angesichts der Versuche, Atomkraft wieder "hoffähig" zu machen.
Die Aktionsgemeinschaft "Kinder in Not"
sucht noch Paten für auch heute noch krebskranke Kinder. Kontakt: Hiltraud Mumme, (05751) 957121.
Am morgigen Freitag, 28. April, 19.30 Uhr
, findet ein Benefizkonzert in der Hohenroder Kirche statt. Mit dabei sind der Gospelchor "Joyful Voices" unter der Leitung von Pastor Matthias Mau und der Männergesangverin Hohenrode unter der Leitung von Anna Klassen.
Im Rahmen des Konzerts soll aus den Briefen der Familien aus Gomel vorgelesen werden. 353 Kinder betreut der Verein "Kinder in Not" zurzeit in Gomel - 77 sind in den vergangenen 15 Jahren gestorben. "Die Hilfe aus Rinteln ist für die kranken Kinder lebenswichtig", wirbt Hiltraud Mumme.
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