Das Gefährt ist von einem Bauernhof aus Stemmer bei Minden nach Eisbergen gelangt. Er steht für eine Zeit, in der nicht wenige der größeren Höfe zu Wohlstand gelangten und deren Besitzer mit den wohlhabenden Bürgern der Städte mitziehen konnten. Das musste natürlich auch nach außen gezeigt werden. So vorzugsweise durch „neumoderne“ repräsentative Wohnhäuser in Ziegelbauweise, durch Mobiliar im Stil des Bürgertums und nicht zuletzt auch durch Attribute des neuen Wohlstands, wie unser Fundstück-Kinderwagen eines ist. Und wie die begüterten Familien der Städte zeigte man sich auch auf dem Lande am Sonntag beim Spaziergang mit dem „Kinderwagen de luxe“. Der brauchte die großen Räder, um einigermaßen holpergedämpft über die ländliche Flanierstrecke zu kommen.
Übrigens: „Kinderkutsche“ wurde der Vorläufer der heutigen Kinderwagenvielfalt vom kuscheligen Säuglingskinderwagen bis zum dreirädrigen Buggy für joggende Väter und Mütter anfangs genannt. Aber seit ein Stellmacher namens Ernst Näther um die 19. Jahrhunderts sein Modell präsentiert hat, haben die Kinderwagen bei uns die Gestalt, in der sie noch heute im Prinzip überwiegend gebaut werden: Unten drunter ein vierrädriges Fahrgestell und obendrauf ein kutschen- oder korbartiger Aufsatz für ein Kind oder sogar mehrere. Das Gefährt wird heute mittels Griff geschoben, im Gegensatz zu Näthers Prototyp, der laut Überlieferung gezogen worden sein soll...
Copyright © Deister- und Weserzeitung 2021
Texte und Fotos von dewezet.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.