Ausländische Investoren erschweren Vermietung
„Wenn man die Zahlen genauer betrachtet, ist festzustellen, dass die Situation – mal abgesehen von der Hertie-Schließung – gar nicht so dramatisch ist“, sagt Wolfgang Kaiser. Der Fachbereichsleiter Planen und Bauen im Hamelner Rathaus legt seiner Analyse die Entwicklung der Hauptgeschäftslage in der Bäcker-, Oster-, Emmern- und Ritterstraße sowie dem Pferdemarkt zugrunde. „Dort befinden sich mit rund 46 000 Quadratmetern Verkaufsfläche 83 Prozent aller Altstadt-Geschäfte. Der Leerstand liegt bei 4086 Quadratmetern in insgesamt 17 Geschäften. Das beträgt eine Quote von neun Prozent der Verkaufsfläche, wobei über die Hälfte auf Hertie entfällt“, unterstreicht Kaiser und erinnert daran, dass die Leerstandsquote im Jahr 2001 ähnlich hoch gewesen sei: „Damals standen das Modehaus Opitz in der Ritterstraße und Kaiser’s-Kaffee-Geschäft in der Osterstraße über einen sehr langen Zeitraum leer. „Damit steht Hameln in Gesellschaft mit anderen Städten – egal, ob mit ECE oder ohne“, weiß der Stadtplaner, der für den Leerstand im Zentrum auch eine veränderte Eigentümerstruktur verantwortlich macht. „Es gibt bei den Immobilien in der Altstadt einen messbaren Anteil ausländischer Investoren, die kriegt man nicht einmal ans Telefon. Manche Grundstücke in 1a-Lage werden von den Besitzern wie Anlagepapiere bei Banken mit hoher Renditeerwartung gesehen. Dabei sind diese Mietforderungen überhaupt nicht mehr marktgerecht“, klagt Kaiser und verweist auf einen „leicht rückläufigen“ Mietspiegel, der jedoch nach wie vor über dem Niveau vergleichbarer Städte liege. Eine Aussage, die Marcus Berz, Sprecher der Immobilienbesitzer in der Altstadt, so nicht bestätigen kann: „Ich weiß von teilweise erheblichen Nachlässen.“
Für Stadtmanager Stefan Schlichte sind neben der Wirtschaftskrise auch langlaufende Mietverträge ein Grund für den Leerstand. „Mir sind allein drei Geschäfte in Hauptlage bekannt, deren Mieter nicht mehr da sind, wo aber für die Immobilienbesitzer die Einnahmen noch Monat für Monat pünktlich fließen“, berichtet er. Entsprechend gering sei das Interesse der Gebäudebesitzer an einer Neuverpachtung.
Gleiches Problem gelte für die derzeit brachliegende Hertie-Immobilie. „Ideen und Pläne gibt es, doch ist es schwierig, mit dem Eigentümer in Verhandlung zu treten“, klagt Schlichte. Der britische Investor habe wenig Interesse an der Entwicklung der Hamelner Innenstadt, sondern denke ebenfalls vorrangig an seine Rendite. Entsprechend seien alle bisherigen Versuche gescheitert. Der Stadtmanager gibt aber die Hoffnung nicht auf, dass für das Hertie-Gebäude eine adäquate Nachnutzung gefunden wird. Nur wann, vermag er nicht zu sagen.
Real-Auszug aus ECE nur ein Gerücht
Überhaupt gibt sich Schlichte zuversichtlich, dem Leerstand in der Hamelner Altstadt entgegentreten zu können. „Es stagniert zwar etwas, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Innenstädte verändern sich. Und Dienstleister, die in die Zentren drängen und in 1a-Lagen Präsenz zeigen wollen, darf man nicht aus den Augen verlieren. Es kommt nur auf die richtige Ladengröße an“, meint der Stadtmanager und ergänzt: „Vielen Städten geht es schlecht, aber wir tun etwas.“ Damit meint Schlichte auch das Flächenmanagement, das über die Hameln Marketing- und Tourismus GmbH betrieben wird. „Das wird zwar von der Anbieterseite noch nicht so wahrgenommen, weil nicht alle Leerstände gemeldet werden und auch Makler unbegründet um ihre Courtage fürchten, weil wir kostenlos arbeiten, aber auf Nachfragerseite wird sich sehr wohl informiert. Und das heißt, dass der Internet-Auftritt genutzt wird“, betont der Stadtmanager, der für leerstehende Geschäfte auch kostenlose Fensterdekorationen anbietet, um Tristesse aus der Innenstadt herauszuhalten. Volvo-Lange hat dieses Angebot genutzt, in der Osterstraße Fahrzeuge ausgestellt und ist zufrieden. „Wirtschaftlichlässt sich das zwar nicht messen, aber gefühlt bringt es echt etwas, weil viele Kunden kommen und auf die Osterstraße verweisen. Wir machen uns dadurch bekannter, und ich habe schon überlegt, eine 400-Euro-Kraft einzustellen, um den Laden zu öffnen“, berichtet Burghard Lange.
Die drei leerstehenden Geschäfte in der Stadtgalerie bereiten Axel Diewald keine Probleme. „Das ist kein Drama, denn 97 funktionieren“, erklärt der ECE-Bereichsleiter Nordwest. Und Interessen für eine Nachnutzung gebe es bereits. Dass mit Real bald ein viertes Geschäft dazukommen könnte, weist Diewald entschieden zurück: „An diesem Gerücht ist überhaupt nichts dran. Real ist in der Stadtgalerie hochzufrieden.“
Ob Traditionsgeschäfte – wie hier in der Emmernstraße – oder Shops großer Ketten: Viele Läden verschwanden aus der Innenstadt oder zogen um, die Räume stehen leer. Foto: Dana