Während so mancher Berufspendler in Eiseskälte schimpfend sein Auto freikratzen muss und ein anderer sich darüber ärgert, dass der ICE nur mit Tempo 200 fährt, weil die Gleise vereist sind, baut ein Dritter einen Schneemann und freut sich. Mutter Natur dagegen bleibt in der kalten Jahreszeit stets gelassen. Wir haben drei Experten gefragt, wie Pflanzen und Tiere mit den häufig wechselnden Wetterlagen in heutigen Wintern zurechtkommen.
Während so mancher Berufspendler in Eiseskälte schimpfend sein Auto freikratzen muss und ein anderer sich darüber ärgert, dass der ICE nur mit Tempo 200 fährt, weil die Gleise vereist sind, baut ein Dritter einen Schneemann und freut sich. Mutter Natur dagegen bleibt in der kalten Jahreszeit stets gelassen. Wir haben drei Experten gefragt, wie Pflanzen und Tiere mit den häufig wechselnden Wetterlagen in heutigen Wintern zurechtkommen.
Auch dieses Mal war es Professor Günter Groß aus Exten, der den Kasten Bier bezahlen musste. Fast immer verliert er die traditionelle „Weihnachtswette“, die er mit einem Kollegen im Institut für Meteorologie und Klimatologie in Hannover-Langenhagen austrägt. „Ich tippe – wider besseres Wissen – auf Schnee zu Weihnachten“, sagt er. „Täte ich das nicht, wäre wohl Schluss mit dem Wetten.
Es gibt nämlich durchschnittlich gesehen nur zwei Mal weiße Weihnachten innerhalb von zehn Jahren.“ Gefragt, ob dieser Winter aus Sicht eines Meteorologen bisher ganz besonders milde war und was mit Mensch und Natur bei einem echten Kälteeinbruch passiert, antwortet er: „Nichts Besonderes wird passieren. Bisher haben wir einen ganz normalen Winter.“
Beim Winter darf man allerdings mit größerer Berechtigung als bei den anderen Jahreszeiten fragen, was „normal“ denn eigentlich heißen soll. Keine drei Jahre ist es her, dass der März als kältester Monat seit 25 Jahren in Erscheinung trat, und überhaupt war der Winter von 2013 derjenige mit der kürzesten Sonnenscheindauer in der Geschichte der offiziellen Wetteraufzeichnungen. Und die begann immerhin schon im Jahr 1761. Sie belegt, dass die deutschen Winter bis heute eine durchschnittliche Temperatur von minus drei Grad Celsius erreichen. Allerdings besteht dieser Mittelwert aus Einzelwerten, die um bis zu zehn Grad Celsius voneinander abweichen können, während die Werte von Frühling, Sommer und Herbst nur um etwa sechs Grad um ihren Mittelwert herumschwanken.
„Ich meine, dass die Psychologie bei der subjektiven Einschätzung des Winterwetters eine große Rolle spielt“, sagt Professor Günter Groß. „Wir nehmen sehr genau wahr, ob die Temperaturen über oder unter null Grad liegen. Im Sommer ist es fast egal, ob nun drei Grad mehr oder weniger Hitze herrscht. Wenn aber plötzlich überall der Schnee die Landschaft verändert, wenn Glatteis entsteht oder die Seen, gar die Flüsse zufrieren, dann fällt das natürlich jedem auf. Und man spricht darüber, wenn es lange Wochen gar keinen Frost gibt und auch nicht die trotz aller Statistik immer wieder erwarteten weißen Weihnachten.“
Die Natur dagegen zeigt sich einigermaßen ungerührt über winterliche Temperaturschwankungen, auch dann, wenn sie innerhalb einer Wintersaison auftauchen. „Viele Leute machen sich Sorgen, dass frühlingsähnliches Wetter im Dezember den Bäumen und Sträuchern im Wald schadet“, sagt Christian Weigel, Leiter des Niedersächsischen Forstamtes in Hessisch Oldendorf. „Aber ich versichere Ihnen: Der Wald hat trotzdem auf Winter geschaltet. Es sind ja weniger die Temperaturen als die Lichtverhältnisse, die die innere Uhr der Pflanzen einstimmen.“
Ja, hier und da blühe der Seidelbast, aber der komme auch sonst oft schon im Februar mit Blüten hervor, ohne dass es ihm schadet. „Ich stehe gerade mitten im Wald“, sagt er am Telefon. „Hier blüht sonst nichts, und die Knospen in der Kultur sind alle fest geschlossen.“ Das war an einem Tag, als das Thermometer fast zwölf Grad Celsius anzeigte. „Selbst wenn es noch richtig eisig werden sollte, ist kein Schaden zu erwarten“, so der Forstamtsleiter. „Der Wald ist über Jahrhunderte daran gewöhnt, dass es Winter gibt, die mild beginnen und erst später sehr kalt werden.“
Auch für Gartenpflanzen stelle es kein Problem dar, wenn sich bereits neue Knospen bilden, sagt Nick Büscher, Vorsitzender der Naturschutzbundgruppe Rinteln. „Die heimischen Gehölze sind Kummer gewöhnt. Die Weidenknospen und der blühende Weißdorn treiben einfach neu aus, falls tieferer Frost sie überfällt, die Rosen genau so.“ Wirklich gefährlich wird es erst dann, wenn länger gewordene Tage und damit mehr Sonnenlicht den Pflanzen signalisieren, dass der Winter vorbei ist. Fallen dann die Temperaturen, können gerade Rosen erfrieren. Empfindliche Pflanzen aber sollte man so oder so vor Frost schützen, besser mit Tannengrün als etwa mit einer Folie, unter der es schimmeln kann.
Wie der Mensch der Schleiereule helfen kann
Sollte es noch starken Schneefall geben, dann fürchtet Büscher eher um manche Tierarten, vor allem um seine Lieblinge, die Schleiereulen. „Die Schleiereulen haben es in unseren modernen Zeiten sowieso nicht leicht“, sagt er. „Sie sind ja Kulturfolger und haben sich immer darauf verlassen, dass ihnen Scheunen und Ställe offenstehen. Viele Landwirte aber verschließen Tür und Tor ihrer klimatisierten Anlagen. Sehr schlecht für die Schleiereule.“ Die ernährt sich überwiegend von Mäusen, die auf einem Heuboden massenhaft herumwimmeln, nicht aber draußen in der Kälte.
Ist die Schleiereule im Winter aber auf die Jagd in der freien Natur angewiesen, wo alles mit Schnee bedeckt ist, kann sie keine Mäuse aufspüren. Sie jagt nach Gehör und der Schnee wirkt da wie eine Schalldämmung. Deshalb Büschers Appell an alle Besitzer eines Rasengartens: Man möge bitte eine kleinere Fläche des Rasens vom Schnee befreien. So hätten die Schleiereule und auch der Mäusebussard die Chance, ein Tierchen zu erwischen, wenn es unterirdisch die schneefreie Fläche passiert.
Der Naturschutzbund weist auch darauf hin, dass Kälte und Schnee den heimischen Vögeln zu schaffen machen können. Es sei durchaus sinnvoll, auch bei noch relativ hohen Temperaturen Vogelfutterstellen anzulegen. Nicht immer würden sie dann schon genutzt. „Aber Vögel merken sich, wo sie im Fall des Falles Futter erwarten können. Das ist wichtig, denn sie verbrauchen bei der Futtersuche so viel Energie, dass sie ohne Nachschub nicht lange überleben können.“ Wer noch kein Vogelfutter aufgehängt hat, kann es aber auch jetzt noch tun.
Alles in allem sieht Büscher die wechselnden Winterphänomene ähnlich gelassen wie Meteorologe Günter Groß und Förster Christian Weigel. „Der Mensch macht sich viele Sorgen, die die Natur kaum was angehen“, meint er. Das liege sicherlich auch daran, dass die Menschen in früheren Zeiten noch ganz anders auf das Wetter angewiesen und ihm mehr ausgeliefert waren als heute. „Wir regen uns auf, wenn wir Autos vom Eis befreien müssen oder der ICE zeitweise nur mit einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde fährt“, sagt er. „Im Mittelalter konnten plötzliche Kälteeinbrüche aber katastrophale Folgen haben.“
Wo es weder gedämmte Wohnhäuser noch klimatisierte Ställe gibt, wo die gute Vorratshaltung eine überlebenswichtige Rolle spielt, oder wo es keine Kulturpflanzen gibt, die ganz unterschiedliche Aussaattermine überstehen, da ist der Winter eine wirklich gefährliche Jahreszeit, die die Lebenssituation des ganzen folgenden Jahres prägen kann. Sollte in unserer Region wirklich mal was schiefgehen mit der Ernte, etwa wegen einer zu frühen Aussaat, die dann frostgeschädigt wird, kann leicht anderweitig ausgeholfen werden. „Damals aber war man auf den regionalen Ernteerfolg angewiesen.“
Was man an den Wetteraufzeichnungen ablesen kann: Den letzten auch für heute lebende Menschen extremen Winter gab es in Deutschland wohl im Jahr 1979, als so hoher Schnee lag, dass die Bundeswehr die A 7 freiräumen musste und Tiere in ihren Ställen starben, weil der Strom ausfiel und keine Hilfe herbeigeholt werden konnte. „Auch in Zukunft kann es solche Winter geben, nur noch seltener“, meint der Meteorologe. „Insgesamt sind die Durchschnittstemperaturen spürbar gestiegen.“ Mit den 1980er, 1990er und den 2000er Jahren gab es drei Jahrzehnte hintereinander winterliche Temperaturanstiege, die aktuell alles in allem auf diesem höheren Niveau stagnieren.
Winter also, in denen wie im Jahr 1739 vom Oktober bis zum Juni Frost herrschte und noch im März auf zugefrorenem Rhein, Neckar und sicherlich auch der Weser Feste gefeiert wurden, die sind in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Dieser Winter von 1739 gilt allerdings auch als der härteste des ganzen Jahrtausends. Bis in den Mai hinein waren die Brunnen zugefroren und heftige Schneefälle behinderten die Landwirtschaft.
Günter Groß, der im Schaumburger Dorf Exten eine Wetterstation betreut, wagt locker eine regionale Wetterprognose für die kommenden Tage. Nachts werde es bis zu minus zehn Grad Celsius haben, tagsüber lägen die Temperaturen um null Grad. Es werde kalt sein, aber auch schön. Dann aber sei diese kleine Winterepisode erst mal wieder zu Ende. „Die Leute lieben ja Aussagen über wärmste und kälteste Wintertage und über extreme Wetterphänomene“, sagt er. „Aber in dieser Hinsicht wird der diesjährige Winter wahrscheinlich nichts Außergewöhnliches mehr zu bieten haben.“