Rinteln (ni/crs).
Eigentlich wollte die Paritätische Gesellschaft Behindertenhilfe (PGB) schon im Mai vergangenen Jahres den ersten Spatenstich für den neuen Werkstatt-Bau in Rinteln machen. Doch bis heute rührt sich nichts auf dem Grundstück an der Dieselstraße. Der Grund für die Verzögerung: Das Landesamt für soziale Angelegenheitenstellt sich quer bei der Finanzierung der laufenden Kosten für die Einrichtung, in der insgesamt 240 Menschen mit einer Behinderung einen Arbeitsplatz erhalten sollen.
"Bei den Verhandlungen zwischen dem Landesamt für soziale Angelegenheiten und der Paritätischen Gesellschaft Behindertenhilfe über wesentliche Vergütungsbestandteile ist noch keine Einigung erzielt worden", heißt es lapidar aus dem Mund des Sprechers des niedersächsischen Sozialministeriums. Mit dem Hinweis auf das bei laufenden Verhandlungen bestehende "Gebot der Verschwiegenheit" verweigert er jede weitergehende Information. Auch die Frage nach allgemeingültigen Kriterien, die das Landesamt bei der Berechnung von Zuschüssen zugrunde legt, bleibt unbeantwortet.
"Es krankt am Geld", umschreibt der Geschäftsführer der PGB, Bernd Hermeling, die Ursache für den Stillstand des Projektes. Die Paritätische Gesellschaft ist verpflichtet, die Menschen zu betreuen, die die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen erfüllen. Im Gegenzug ist das Landesamtfür soziale Angelegenheiten in Hildesheim als überörtlicher Kostenträger der Sozialhilfe dafür zuständig, die dabei anfallenden Kosten zu decken. Mit dem Amt muss die PGB eine so genannte "Vergütungsvereinbarung" aushandeln. Die setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen und macht am Ende eine Summe X pro Arbeitsplatz und Monat aus, die das Landesamt an die PGB bezahlt. Damit diese wiederum Menschen beschäftigt, die dem regulären Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Behinderung nicht zur Verfügung stehen.
Den Betrag, den die PGB nach ihrer Kalkulation bräuchte, um die Personal-, Sach-, Betriebs- und Fahrtkosten in den geplanten neuen Werkstätten decken zu können, "will das Landesamt nicht zahlen", so Hermeling. Im Gegenteil: Die Behörde biete weniger an, als sie derzeit für jeden der 190 Arbeitsplätze in der bestehenden Betriebsstätte der PGB im Industriegebiet Süd zahlt. "Mit neuen Projekten ist neuerdings immer eine Preisabsenkung verbunden", sagt Hermeling. Nicht etwa, weil die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen tatsächlich billiger geworden wären, "sondern weil das Land sparen will". Offenbar auch an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft.
Die Verhandlungen mit dem Landesamt ziehen sich seit fast zwei Jahren hin und gestalten sich laut Hermeling "ausgesprochen zäh". Dabei habe die PGB schon Zugeständnisse gemacht und durch Wirtschaftlichkeitsverbesserungen Betriebs- und Sachkosten reduziert. "Aber jetzt ist die Grenze erreicht."
Die Hoffnung auf einen Kompromiss mit dem Landesamt hat Hermeling noch nicht aufgegeben: "Ich hoffe auf eine gütliche Einigung innerhalb der nächsten zwei, drei Wochen", sagt der Geschäftsführer. Kommt kein Kompromiss zustande, verzögert sich die 4,2-Millionen-Euro-Investition weiter.
Und das würde die PGB vor ernste Schwierigkeiten stellen. Schon jetzt ist die im Jahr 2000 eröffnete Werkstatt im Industriegebiet Süd chronisch überbelegt: Eigentlich ist sie auf 120 Plätze ausgelegt, zurzeit arbeiten hier 190 Menschen. Wegen der Raumnot an der Dieselstraße ist die Tagesförderstättebereits auf das Lebenshilfe-Gelände an der Waldkaterallee ausgelagert worden. Und die Nachfrage nehme immer mehr zu, sagt Lutz Herzog, PGB-Finanzchef: "Wenn das so weitergeht, sind wir schon voll belegt, bevor die Werkstatt fertig ist."
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