Landkreis (cok).
Wie spannend und bereichernd intensives Lernen sein kann, das haben etwa 50 Oberstufen-Schüler aus sechs Schaumburger Schulen erfahren, die an der "Schülerakademie Schaumburg" teilnahmen. Nach einem mehrtägigen Seminar zum Thema "Staat und Recht", das in Rinteln stattfand, waren sie für drei Tage nach Karlsruhe gefahren, um sich über die Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes zu informieren, speziell zum Thema "Kopftuchstreit" und "Kruzifixbeschluss".
Zur Vorbereitung lasen die Schüler bereitwillig unzählige Seiten im Juristendeutsch, die Urteilsbegründungen nämlich, mit denen die Richter des Bundesverfassungsgerichtes darlegten, warum Kruzifixe in Klassenzimmern nichts zu suchen haben und weshalb sie die Entscheidung, ob muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen oder nicht, an die einzelnen Bundesländer delegierten.
Zusammen mit den begleitenden Lehrern Michael Pavel vom Rintelner Ernestinum, Robert Dilla vom Ratsgymnasium Stadthagen, Dr. Joachim Heise vom Stadthäger Wilhelm-Busch-Gymnasium und dem Schulpastor Hartmut Steinwachs stürzten sich die Schüler gleich am ersten Abend in die gemeinsame Analyse der Texte. Dabei ging es ihnen weniger um ihre eigenen Ansichten über Kopftuchstreit und Kruzifixbeschluss, sondern sie erkundeten, wie ein Verfassungsgericht eigentlich argumentiert.
So lernten sie, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit auch die so genannte "negative Religionsfreiheit" einschließt, die darin besteht, sich aller Religionsausübung entziehen zu dürfen. Und sie begriffen, dass Gesetze Texte sind, die ausgelegt und interpretiert werden müssen, in einem gemeinsamen Akt einer Gruppe von Richtern, in dem es nicht um Meinungen geht, sondern um eine strenge Argumentation, die den "Geist" des Gesetzes begreifen muss.
Was die Entscheidung im Kopftuchstreit betraf, so waren die Schüler erstaunt und manche auch enttäuscht, dass hier gar keine "richtige" Entscheidung getroffen worden war. Das Bundesverfassungsgericht hatte nur festgestellt, dass es keine rechtliche Grundlage gab, um der berühmt gewordenen Lehrerin auf Probe, Fereshta Ludin, das Tragen ihres Kopftuches in der Schule zu verbieten. Ein Kopftuchverbot dürfe erst dann ausgesprochen werden, wenn die einzelnen Länder dafür gesetzliche Vorgaben schaffen würden.
Die Direktorin des Bundesverfassungsgerichtes, Dr. Elke Barnstedt, veranstaltete für die Schülergruppe eine Führung durch das lichte Gebäude und machte sie darauf aufmerksam, dass die transparente Architektur ein Symbol sei für die Art der Rechtsprechung, die hier getroffen würde. In der abschließenden Diskussion betonte sie, dass der Prozess der Urteilsfindung so langwierig sein müsse, weil niemals ein Einzelner die Entscheidungen träfe.
Besonders spannend fanden die Schüler auch ein ganz anderes Urteil, bei dessen feierlicher Verkündung sie dabei waren, das "Wetturteil", in dem entschieden wurde, dass der Staat nur dann weiterhin sein Monopol auf Sportwetten ausüben darf, wenn er damit gleichzeitig die Spielsucht wirksam kontrolliert. Viele der jungen Leute waren beeindruckt von dem moralischen Grundanspruch, dem der Staat als Bürgerstaat genügen muss.
"Solche außerschulischen Lernorte eröffnen den Schülern oft mit einem Schlag ganz neue Gedankengänge", so Lehrer Dr. Joachim Heise. Zudem könne die Schülerakademie dazu beitragen, dass Schüler später angemessene Entscheidungen für die Wahl ihres Studiums treffen. So seien sich jetzt viele sicher, dass sie Jura studieren möchten, während andere zu dem Schluss gekommen seien, dieses schwierige Fach lieber doch nicht zu wählen.
Die Schülerakademie Schaumburg wird von den Schulpfarrämtern gemeinsam mit den beteiligten Schulen als Fortbildung angeboten. Eine weitere Fortbildung und Studienorientierung für Schüler ist die "Sommeruniversität Rinteln", zu finden im Internet unter "www.sommeruni-rinteln.de".
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