Auetal (rnk).
Im Kindergarten Rolfshagen wird zum 1. August eine Krippengruppe mit maximal 15 Plätzen eingerichtet. Dies beschlossen die Mitglieder des Beirates für Kindertagesstätten und anschließend der Jugend- und Sportausschuss in ihren Sitzungen am Montag. Die Wählergemeinschaft Auetal (WGA) stimmte dagegen: Zwar sei man auch für die Einführung des Betreuungsangebotes für unter Dreijährige, erklärte Vorsitzender Siegbert Held, doch der Finanzierungsschlüssel sei im Vergleich zu den Kindergartengebühren ungerecht: Eltern von unter Dreijährigen würden von der Gemeinde stärker subventioniert als Eltern von Kindergartenkindern.
Da die Anmeldungen für Kindergartenkinder zurückgehen, hatten beide Gremien und später der Verwaltungsausschuss Ende letzten Jahres beschlossen, die freien Plätze für Kinder unter drei Jahren in alterserweiterten Gruppen zu nutzen und umzusetzen. Vorerst zeichnet sich indes nur im Kindergarten Rolfshagen ein Betreuungsbedarf für unter Dreijährige ab. In den übrigen Auetaler Kindergärten würde die Aufnahme aufgrund der baulichen und personellen Ausstattung nur noch für den Kindergarten Rehren in Frage kommen. Bisher ist allerdings noch kein Bedarf erkennbar.
Ganz anders sieht es in Rolfshagen aus. Nachdem bekannt wurde, dass die Einrichtung einer alterserweiterten Gruppe erfolgt waren (und die rechtlichen Grundlagen per Satzung beschlossen wurden), liegen für das beginnende Kindergartenjahr im August 20 Anmeldungen für Kinder unter drei Jahren vor. Der gesetzliche Anspruch der über Dreijährigen auf einen Kindergartenplatz würde laut Verwaltung durch die Reduzierung der Kinderzahlen im Kindergarten Rolfshagen aber nicht in Frage gestellt werden, denn aufgrund des Geburtenrückganges stünden noch ausreichend Kapazitäten in den Tageseinrichtungen im Auetal zur Verfügung.
Zu Debatten kam es in beiden Gremien, weil für die neu einzurichtende Krippengruppe ein Gebührentarif geschaffen werden muss. Die Einnahmen für die 15 Krippenkinder liegen bei gleichbleibenden Personalkosten (für zwei Betreuungskräfte) um 40 Prozent geringer als bei einer Kindergartengruppe, die 25 Kinder umfasst. Aus Sicht der Verwaltung ist ein kostendeckendes Auffangen der Mindereinnahmen nicht vertretbar, immerhin sei zu berücksichtigen, dass die Gebühreneinnahme für diese 15 Kinder ohne Einrichtung einer Krippengruppe gänzlich entfallen und damit auch einen finanziellen Ausfall bedeuten würden, betonten Bürgermeisterin Ursula Sapia und ihr allgemeiner Vertreter Thomas Priemer in den Sitzungen. Der 40-prozentige Ausfall sollte aus Sicht der Verwaltung als Gebührenaufschlag so umgesetzt werden: Eine vierstündige Betreuung kostet 135 Euro im Monat, fünf Stunden 150 Euro, sechs Stunden schlagen mit 165 Euro zu Buche. Sollten die Mindereinnahmen zu 100 Prozent von den Krippenkindern aufgefangen werden, müssten die Gebühren um 70 Euro bei einer Fünf-Stunden-Betreuung auf 175 Euro angehoben werden.
An der prozentualen Beteiligung der Eltern an den Kosten entzündete sich die Kritik von Held. Kindergartenkinder würden prozentual mehr zahlen als die Krippenkinder, erklärte der Rolfshäger und verweigerte der vorgeschlagenen Gebührenstaffel seine Zustimmung. Priemer verteidigte die Staffelung und forderte, "die Gebührentatbestände in der Masse zu sehen, die sich dann in der Summe um 40 Prozent einpendelt". Held sah es anders: Man könne doch nicht zu den Eltern der Kindergartenkinder gehen und denen erklären, die Kinder in der Krippe würden besser bezuschusst. Natürlich, so erwiderte Priemer, sei diese Gebührenstaffelung "mathematisch nichtbis auf den letzten Cent ausgereizt. Es ist ein politisch festgesetzter Betrag". Sah Held erneut anders: Die von der Verwaltung angestellte Rechnung sei keine mathematische, sondern "eine Milchmädchenrechnung". Torben Sven Schmidt (CDU) meinte, dass man es mit diesen Gebühren doch "erst einmal versuchen kann". Später könne man, wenn nötig, noch nachbessern
Dass Kinder in der Krippe anders zu behandeln seien als Kindergartenkinder, hatte Beate Handierk als Leiterin der Rolfshäger Einrichtung zuvor erklärt. Verbal und motorisch seien die Kinder noch nicht so weit, die Zusammenarbeit mit den Eltern sei daher deutlich intensiver ("Immer wieder Rückmeldungen"), es werde viel emotionaler gearbeitet - "alles hängt eine ganze Etage tiefer", sagt Frau Handierk. Daher müsse die Krippengruppe auch deutlich kleiner sein als eine im Kindergarten.
Für den ideologischen Überbau sorgte Ursula Büthe, Fachberaterin für Kindertagesstätten beim Landkreis Schaumburg, die darüber referierte, wohin die Entwicklung im Kindertagestättenbereich gehen wird. Der demografische Wandel habe mittlerweile auch das Land erreicht, hier seien die Scheidungsraten fast genauso hoch wie in der Stadt, die Lebensbedingungen hätten sich überall grundlegend geändert. Daher müsse auch der Kindertagesstättenbereich folgen, so die Expertin.
In ihrem aus weitgehend bekannten Tatsachen und wohl abgehangenen Formulierungen bestehenden Bericht gab es nur wenige Zahlen, die das Gesagte unterstrichen. Etwa, dass jede sechste Kindgemeinschaft nur aus einem Kind und einem Alleinerziehenden besteht, dass jedes sechste Kind in der Einkommensarmut lebe, was gravierende Defizite im sozialen, und körperlichen Bereich für das ganze Leben und oft noch für mehrere Generationen nach sich ziehe, dass jede zehnte Familie in Deutschland eine Ausländerfamilie sei, in der die Migrationskinder deutlich schlechtere Chancen hätten als deutsche Kinder. Kurzum: Eine Weiterentwicklung des Systems der Tageseinrichtungen sei "unabdingbar", so Büthe. Ihr Fazit: Im Mittelpunkt habe dabei stets das Wohl des Kindes zu stehen.
Für die zuhörenden Auetaler Kindergartenleiterinnen dürfte das keine ganz neue Erkenntnis gewesen sein.
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