Claus Holst hatte sich im Vorfeld dieses Besuches ausführlich über das "Shared-Space-Programm" informiert und Kontakt zu Bohmte hergestellt, der ersten deutschen Stadt, die einen Bereich in der Innenstadt nach diesem neuen Verkehrskonzept umgestaltet hat. Die Gruppe wurde von der Ersten Gemeinderätin, Sabine de Buhr-Deichsel, begrüßt, die eine Präsentation vorbereitet hatte. Sie informierte über die Situation vor dem Umbau und stellte dann die Vorteile der neuen Verkehrssituation dar. Die Stadt Bohmte wird durch die Landesstraßen 81 und 85 sowie die Kreisstraße 401 durchzogen. In der Bremer Straße, Hauptdurchgangsstraße, wurden täglich 12
600 Fahrzeuge gezählt, davon über tausend Lastwagen.
Sabine de Buhr-Deichsel berichtete, selbstverständlich habe es viele skeptische Stimmen gegeben, gleich drei Ampelanlagen aufzulösen. Doch die Anwohner hätten letztlich mitgezogen. Heute gibt es keine Bürgersteige und Bordsteine mehr; die Pflasterung ist auf gleicher Höhe bis an die Häuser einheitlich gestaltet. Verkehrsschilder, Verkehrsinseln und andere Verkehrs-Hilfsmittel sind abgeschafft, es gelten übliche Verkehrsregeln und gegenseitige Rücksichtnahme. Blinde können die Leitstreifen mittels eines Blindenstocks ertasten und sich so orientieren. Ein weißer Strich, der mit Längsrillen markiert ist und zu Querungshilfen führt, zu engen Stellen an der Straße, die durch Punkte besonders gekennzeichnet sind. Diese Stellen werden auch von Kindern zum Überqueren der Straße genutzt.
Jürgen Evers zeigte sich vor Ort von dem Konzept fasziniert. Auffallend sei: Geht ein Fußgänger los, um die Straßenseite zu wechseln, hält ein Auto an oder verlangsamt sofort. Selbst der Schwerlastverkehr passe sich dem Verkehrsfluss an. Dabei gebe es keine Staus, weil es auch keine Ampeln mehrgibt, der Verkehr, so Evers, "fließt langsam, aber gleichmäßig".
Geparkt werden kannüberall, man kann bis an Geschäfte heranfahren, nur die weißen Streifen sind tabu. Seit Einführung des Systems im Mai hat es bisher keinen Unfall gegeben. Auch die Schulen und Kindergärten liegen an der zum gemeinsam genutzten Raum umgewandelten Hauptverkehrsstraße. Durch die optischen Veränderungen im Verkehrsraum, schilderte Claus Holst, habe man als Autofahrer den Eindruck, man würde direkt auf ein Haus zufahren, weil die Abgrenzung durch einen Bürgersteig fehle, was wiederum dazu führe, "dass man automatisch den Fuß vom Gas nimmt". Wenn doch einmal ein Auto schnell durch den Bereich fahre, was die Rintelner Gruppe einmal gesehen hat, falle dieses Verhalten sofort auf und der Autofahrer werde durch die anderen Verkehrsteilnehmer gebremst.
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