Rolfshagen (rnk).
Schuld ist vielleicht der Neffe vom Chef. Der trommelt in einer Band und so hat sich Karsten Kiesow vor Wochen auf den Weg gemacht, um sich die "Drunken Lullabys" mal anzuhören, schließlich genießen die trunkenen Liebeslieder nach einigen gewonnenen Band-Contests durchaus Ansehen. "Die kann man vorzeigen", befand der Rolfshäger. Und weil er selbst seit Jahren als Discjockey Musik auflegt, war die Idee vom Konzert schnell geboren: Eine Band, ein, zwei DJs - und das alles im Bernser Dorfgemeinschaftshaus. Als dann noch die Hakenkreuz-Schmierereinen öffentlich wurden, hängte der 28-Jährige dem Konzert nach zwei Worte an: gegen Rechts.
Der Rest ist bekannt. Der Absagebrief der Auetaler Bürgermeisterin, Anrufe vom NDR, von den Grünen in Hannover, die die Absage zum Thema im Landtag machten, die öffentliche Erklärung des zuständigen Göttinger Polizeipräsidenten, dass die Polizei natürlich vor rechten Randalierern schützen könne, überregionale Artikel von der Berliner "taz" ("Sieg der Extremisten") bis zur in München gedruckten Süddeutschen Zeitung ("Zensierte Zivilcourage") - Karsten Kiesow hätte nicht im Traum gedacht, dass es für ein kleines Konzert eine derartig heftige Medien-Resonanz geben könnte. Sogar das Management von Konstantin Wecker hat angerufen und einen Auftritt des in Halberstadt aus Angst vor rechten Gegenaktionen wieder ausgeladenen Liedermachers angeboten - schließlich gehe es um die gemeinsame Sache.Das fand Kiesow nett, aber nicht machbar: "Wecker kommt erst ab einer gewissen Größenordnung." Aber am meisten haben Lehrer bei dem Heizungsbauer aus Rolfshagen angerufen. Vor allem aus der Kreisstadt. Und die wären richtig sauer auf die Auetaler Gemeinde gewesen. Denn ihre Schüler hätten ihnen morgens einfach die Zeitung aufs Pult gelegt und gefragt: "Uns predigen Sie seit Jahren Zivilcourage - und was machen die da? Was erzählen Sie eigentlich?"
Der mediale Pulverrauch hat sich verzogen, das Problem, so Kiesow, ist geblieben: "Ich möchte ein Konzert organisieren."
Nur wo? Zwar hat er in der letzten Woche im Bernser Gemeinschaftshaus Musik aufgelegt, haben gut 100 bis 150 Gäste einer Geburtstagsfeier ihren Spaß gehabt, (überwiegend Frauen, die mit dem von der Gemeinde dort angeführten Toilettenproblem übrigen bestens klarkamen, wie Kiesow nicht ohne Süffisanz erzählt), aber Bernsen, das ist dem Rolfshäger klar, "kriege ich von der Gemeinde nicht mehr genehmigt."
Zwei Möglichkeiten sieht Kiesow noch. Entweder direkt in Rolfshagen oder in Borstel, am Freitag bei der alljährlichen Schweineparty. Aber auf dem Rolfshäger Multifunktionsplatz, "da wird alles viel größer und teurer". Da muss eine Bühne aufgebaut werden (kostet rund 800 Euro, schätzt Kiesow), da werden Toilettenwagen benötigt, muss die Gema abgefunden werden (rund 1000 Euro, meint Kiesow). Und ob in Borstel der bewährte Ablauf der zweitägigen Schweineparty - mit den dann zu erwartenden Beeinträchtigungen - für den Rolfshäger geändert wird, ist allemal fraglich.
Was hat Kiesow in den letzten Wochen am meisten geärgert? "Dass die Gemeinde nicht einmal angerufen hat und gefragt hat, was ich denn nun genau machen möchte und wo man das vielleicht gemeinsam organisieren könnte." Und was hat ihn am stärksten gefreut? "Letzte Woche standen zwei junge Bernser vor meiner Tür. Sie haben gefragt, ob sie für das Konzert eine Unterschriftenaktion durchführen können."
Ganz allein, so scheint es, ist Kiesow nicht.
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