Rinteln.
"Ich fühl' mich, als wäre ich ?Tokio Hotel'", sagt Bodo Wartke und lächelt mit charmantem Staunen ins begeistert klatschende Publikum des ausverkauften Brückentorsaales. Schon bevor der junge Klavierkabarettist aus Berlin die Bühne betreten hatte, jubelten seine Fans, sie jubelten nach jeder Nummer und zum Schluss wollte der Applaus gar nicht mehr aufhören. Bodo Wartke ist ein Virtuose des Reimes, und gute Reime machen offensichtlich glücklich.
Das Programm "Achillesverse" besteht fast nur aus Liebesliedern, alle selbst geschrieben und komponiert. "Ja, da muss man aufpassen, dass man nicht was schreibt, das es schon gibt", scherzte Wartke, aber da bestand nun keine Gefahr. Er sang von der Tochter eines Schönheitschirurgen, dem "Liebling ihres Vatis
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er operiert sie gratis", vom traurigen Vampir, der immer Liebeskummer hat, denn "er stößt ihr seine Zähne
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bis zum Anschlag in die Vene" und "nach dem ersten Kuss
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ist Schluss". Und völlig ungeniert gibt er sich im Song "Ja Schatz" wilden Mordphantasien hin, gespickt mit jeder Menge Binnenreime.
Das vor allem ist es, was so faszinieren kann: Die Art, wie man in den Liedern von Reimenüberrascht wird. Gute Rapper können das, indem sie in ihren Texten durch Erfindungsreichtum und geschickte Betonung von Gleichklang zu Gleichklang springen, und natürlich auch einige der Altmeister, allen voran Heinz Erhard, mit dem der smarte Bodo Wartke äußerlich wenig gemeinsam hat, wohl aber die fast schon zwanghafte Neigung, auch ganz verdrehte Wortkombinationen durch den Klang zu rechtfertigen: Der Sinn entsteht dann wie von selbst: "Apropos, die Topographie von ihrem Popo is'
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noch fotogener als die von Jennifer Lopez."
Natürlich muss man die Lieder hören, wie sie leichthin mit angenehmer Stimme gesungen werden, fast so, als entstünden sie erst in diesem Moment, wo Wartke sich an den Flügel setzt und lächelnd beginnt. Manchmal wirkt er wie ein hochbegabtes Kind, das Witze erfindet, dann aber gibt es auch wirklich berührende Momente, erstaunlich, denn er spielt sie eher herunter, und die Texte, um die es geht, könnten einfacher nicht sein: "Ich liebe Dich und du liebst mich
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Unsere Liebe ist unerschütterlich
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Wir sind zu zweit
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bis in alle Ewigkeit".
Dieses kleine Lied steht gar nicht für sich allein, sondern wird als Ausgangspunkt für eine musikalische Kategorisierung von Liebesliedern genutzt, so dass sich sein Inhalt verändert je nach Dur oder Moll. Und doch kann man, in all dem Spaß, plötzlich an einen so traurigen Liebeslied-Zyklus denken wie Schuberts "Winterreise". Vielleicht, weil hinter all der Reimerei die tiefen Erfahrungen stehen, aus denen heraus die Kunst entsteht? "Es ist, wie es ist
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Du bist nicht mehr hier/
ich bin allein
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und er ist bei Dir".
Selten hat der Kulturring ein so junges Publikum in den Brückentorsaal gelockt - es sah fast so aus wie bei den beliebten Aufführungen der Theatergruppe vom Gymnasium Ernestinum. Tatsächlich ist Bodo Wartke noch fast ein Geheimtipp, der am Ernestinum allerdings schon bis in den Musikunterricht vorgedrungen war. Drei Zugaben wurden erjubelt, darunter ein wunderbares Liebesliedchen, das Bodo Wartke auswendig in über 40 Sprachen singen kann, sehr amüsant und für bisher Ahnungslose anzuhören im Internet unter "www.bodowartke.de".
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