Am Morgen des 14. Juli gegen sieben Uhr ist ein 63-Jähriger aus Luhden mit seinem Hund unterwegs. Wie immer will er die B 83 an einem Wirtschaftsweg überqueren. Diesmal jedoch rast aus Richtung Bückeburg mit Tempo 100 ein Mazda heran, zum Teil auf dem rechten Grünstreifen. Nur durch einen beherzten Sprung kann sich der Fußgänger vor dem außerKontrolle geratenen Wagen retten. Der angeleinte Hund büßt dabei allerdings eine Kralle ein. Zwischenzeitlich reißt der Autofahrer das Steuer nach links, schleudert quer über die Fahrbahn und prallt auf der gegenüber liegenden Seite gegen eine Leitplanke.
Vier Monate nach diesem haarsträubenden Unfall hat die Sache jetzt das Amtsgericht beschäftigt. Auf der Anklagebank saß der Autofahrer, ein Landschaftsgärtner aus Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbecke), der am Ende aufatmen konnte: Richter Armin Böhm erkannte lediglich auf eine Ordnungswidrigkeit und verhängte 35 Euro Geldbuße. Im Vergleich zu dem, was im Raum gestanden hatte, sind das Peanuts.
Vorgeworfen worden war dem Angeklagten Gefährdung des Straßenverkehrs, eine Straftat. Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er wegen geistiger oder körperlicher Mängel dazu nicht sicher in der Lage ist, wer dadurch also andere Menschen gefährdet, dem drohen Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft. So steht es sinngemäß im Gesetz. Im Prozess hatte Staatsanwalt Dieter Liese eine Geldstrafe in Höhe von anderthalb Monatseinkommen, die Entziehung der Fahrerlaubnis und ein Jahr Führerscheinsperre gefordert.
Wäre der Hüllhorster an jenem Morgen nachweislich in einen Sekundenschlaf gefallen, hätte das Gericht wohl eine Sanktion dieser Größenordnung ausgesprochen. Doch an der Unfallstelle hatte der Gärtner nie von sich aus zugegeben, am Steuer eingenickt zu sein, sondern dies auf Befragen von Polizisten lediglich nicht ausgeschlossen. Und das reichte nicht. "Die Ursache", so Richter Böhm, "bleibt im Trüben." Nicht jede Spur, die weg von der Straße führe, sei zwingend auf Übermüdung zurückzuführen.
Der Spaziergänger dürfte mit der Entscheidung übrigens einverstanden sein. "Meines Erachtens ist er gestraft genug", hatte er vor dem Urteil mit Blick auf den Angeklagten erklärt. "Mein Hund hat mehr unter dem Unfall gelitten als ich."
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