Rinteln (wm).
Der Arbeitskreis Denkmalschutz im Heimatbund Grafschaft Schaumburg hat dem Rintelner Bauamt und Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz eine 18-seitige Dokumentation über "Bausünden" in der Altstadt vorgelegt und zehn gravierende Fälle aufgelistet, in denen Bauherren nach Meinung des Arbeitskreises gegen die vom Stadtrat vor acht Jahren beschlossene "Gestaltungssatzung Altstadt" verstoßen haben.
Antje Rinne, Hans Bergmann, Hermann Lend und Werner Zimmermann erläutern, sie seien "mit dem Paragraphenwerk im Kopf" durch die Altstadtgassen gegangen und hätten sich Fassaden, Giebel, Fenster und Farben angeschaut. Besonders negativ sei dem Arbeitskreis unter anderem der Wolter-Bau in der Brennerstraße aufgefallen, der sich "als eigenwilliger Solitär" von seiner Umgebung abhebe, dann das Box-Haus in der Krankenhäger Straße. Zimmermann: "Die Gefahr, dass das einzigartige Altstadtbild durch solch unbedachte Einzelmaßnahmen gestört wird, ist groß. Deshalb darf das einzelne Haus nicht das Maß der Dinge sein. Das Neue soll sich mit dem Alten in den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen ergänzen."
Die Dokumentation belege, so Zimmermann, dass eine ganze Reihe von Neubauten wenig Rücksicht auf die historische Umgebungsbebauung nehme, das betreffe vor allem Dachform, Giebel und Fassadengliederung. Offensichtlich stehe die Stadt hier unter erheblichem Genehmigungsdruck von Seiten der Bauherren und Architekten. Ein Dorn im Auge ist den Arbeitskreismitgliedern auch die Farbgestaltung mancher Häuser - zu grell, zu stichig.
Architekten sehen die Situation etwas differenzierter und warnen vor Rekonstruktionswut. Es werde kaum funktionieren, gibt Architekt und Diplom-Ingenieur Wolfgang Hein zu bedenken, ein Stadtbild auf ein bestimmtes Jahrhundert zu konservieren, also das Heimatmuseum auf die Altstadt auszudehnen. "So wie wir heute leben, das muss in der Architektur einer Stadt auch ablesbar sein". Auch Bauamtschef Reinhold Koch will der Kritik der Architekturpuristen des Arbeitskreises nicht grundsätzlich zustimmen. Selbstverständlich müsse sich moderne Architektur in das Altstadtbild einfügen, doch oft sei es besser, Baulücken mit "Neuem" zu füllen, als Fachwerk zu kopieren.
Antje Rinne, Diplom-Ingenieurin und Fachfrau für die Erhaltung historischer Bausubstanz, hält dem entgegen: "Wozu verabschiedet der Rat eine Gestaltungssatzung, wenn sich in der Praxis niemand daran hält?" Sicher sei gegen moderne Architektur im Stadtbild nichts einzuwenden, eine Stadt solle verschiedene Bauepochen abbilden, doch manchen vor kurzem hochgezogenen Klinkerhäusern in der Altstadt sehe man an, dass sie unter dem Diktat des Kostendrucks und einer möglichst optimalen Mietfläche gebaut worden seien: "Das sind Häuser, die gehören in ein Baugebiet."
Es gebe in anderen Städten durchaus Beispiele, wo im Rahmen der "vermeintlichen Fessel" Gestaltungssatzung moderne Häuser entstanden seien, ohne anbiedernde Architektur, die sich in das historische Umfeld harmonisch einfügten. Sicher sei eine Fachwerkfassade vor einem Neubau "Disneyland". Aber in so "sensiblen Straßenzügen" wie der Engen Straße oder am Marktplatz müsse man das tolerieren.
Architekt Werner Degert, der sowohl Fachwerkhäuser gerettet als auch moderne Häuser gebaut hat, erinnert daran: "Es muss letztlich jemand geben, der bereit ist, in einem Fachwerkhaus zu wohnen." Das vom Arbeitskreis geförderte Geßnersche Haus sei letztlich an diesem Problem gescheitert. Wie grotesk die Situation bisweilen werden kann, schilderte Degert am Beispiel des Umbaus der Lutherschen Scheune in der Engen Straße. Dazu habe ein Treffen stattgefunden, bei dem er den Denkmalpfleger gebeten habe, an Ort und Stelle den Dachüberstand festzulegen - "wir wollten deswegen keinen Ärger haben". Der vom Arbeitskreis in der aktuellen Dokumentation kritisierte Überstand entspreche exakt den vom Denkmalpfleger festgelegten Maßen.
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