Landkreis (crs).
"Schaumburger Karrieren im Nationalsozialismus": Unter diesem Arbeitstitel nehmen die Schaumburger Landschaft und unsere Zeitung gemeinsam ein Buchprojektüber die Geschichte des Nationalsozialismus in Schaumburg in Angriff. Historiker und Journalisten wollen Lebensläufe und Handlungsmotivationen der "kleinen Täter" in Schaumburg beleuchten.
Es sei "nur logisch", sich nach dem erfolgreichen Buch zum Widerstand ("Gegen den Strom") mit der anderen Seite des Nationalsozialismus in Schaumburg zu beschäftigen, erläutert Sigmund Graf Adelmann als Geschäftsführer der Schaumburger Landschaft die Motivation zum Buch. Schließlich dürfe nicht der Eindruck entstehen, in Schaumburg habe es nur Widerstandskämpfer gegeben. Behutsam wollen die Autoren das mitunter heikle Thema angehen, "nicht mit erhobenem Zeigefinger".
Den Anstoß gegeben hat Frank Werner, Historiker und Chefredakteur unserer Zeitung, der ein Team von bislang elf Autoren zusammengeführt hat. Darunter Historiker der Universitäten Bielefeld, Berlin und Gießen, des Staatsarchivs Bückeburg, des Stadtarchivs Bielefeld sowie Heimatforscher und Redakteure unserer Zeitung.
Werner nennt ein ebenso simples wieüberzeugendes Argument für die Initiative: "Wir betreten Neuland - ein solches Buch gibt es noch nicht." Dass über 60 Jahre nach Kriegsende noch keine zusammenfassende Darstellung über den Nationalsozialismus in Schaumburg (mit Ausnahme Rintelns) existiert, ist für Werner "einigermaßen erstaunlich".
Die Auswahl der zu porträtierenden Personen ist noch nicht abgeschlossen, abhängig auch von der Quellenlage. Darunter werden Vertreter der Landesregierung Schaumburg-Lippes sowie die höheren Parteifunktionäre sein. Insgesamt soll das Buch ein möglichst breites gesellschaftliches Spektrum abbilden - auch exponierte Vertreter der Justiz, Wirtschaft und Presse werden untersucht.
Inhaltlich will sich das Buch an der neueren Forschung orientieren und von früheren Darstellungen abgrenzen, die den Nationalsozialismus als totalen Befehls- und Überwachungsstaat kennzeichneten, in dem untere Funktionsträger nur noch als mechanische Befehlsvollstrecker erscheinen. "Ebenso entscheidend wie der Terror von oben war die Zustimmung von unten", bilanziert Werner. Viele Lebensbereiche seien nicht oder widersprüchlich geregelt gewesen, gerade auf der unteren Ebene existierten folglich beträchtliche Handlungsspielräume, die "von Resistenz bis zu radikaler Übererfüllung der NS-Politik" ausgefüllt werden konnten.
Unter anderem soll das Buch einen Industriellen porträtieren, der einen jüdischen Konkurrenten denunzierte, welcher daraufhin in ein KZ deportiert wurde und dort starb. Die Geschichte dieses Industriellen soll zum Anlass genommen werden, das verbreitete Phänomen der Denunziation insgesamt darzustellen. Auch das ist ein Ansatz des Buches: Durch denZugang über die Biographien soll Schaumburgs NS-Geschichte aufgearbeitet werden.
Die Autoren rufen zur Mithilfe auf: Wer hat persönliche Quellen zum Nationalsozialismus in Schaumburg, Fotos, Briefe oder ähnliches? Zuschriften nimmt die Schaumburger Landschaft unter dem Stichwort "NS-Karrieren in Schaumburg" an (Schlossplatz 5, 31675 Bückeburg).
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