Obernkirchen.
Offenbar nur um Haaresbreite entging die Bornemann GmbH im Dezember 2006 dem Verkauf an einen Branchenriesen mit zweifelhaftenÜbernahme-Ambitionen. Nach Informationen unserer Zeitung hatte sich der frühere Anteilseigner 3i für das Angebot des Bornemann-Konkurrenten Colfax entschieden. Nach Darstellung der Familie Bornemann drohte durch vertragliche Bindungen anderer Anteilseigner eine 51-Prozent-Mehrheit für den US-Konzern. Schwere Vorwürfe erhebt die Familie in diesem Zusammenhang gegen den damaligen Geschäftsführer Dr. Ingo Bretthauer, der wenig später das Unternehmen verließ. Zu den Umständen seines Ausscheidens, insbesondere der Frage eines Millionentransfers auf sein Privatkonto, sind vor dem Landgericht Bückeburg mehrere Verfahren anhängig.
Es sind nicht die ersten Prozesse, die das deutlich eingetrübte Verhältnis unter den Gesellschaftern juristisch aufarbeiten. So wurde bereits im vorigen Jahr über den Dienstvertrag des Geschäftsführers und seine Legitimation durch den Beirat der Bornemann GmbH gestritten. Auch gilt das Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und langjährigen Geschäftsführer Michael Bornemann-Galensa und der "Möller-Bornemann Beteiligungsverwaltungs GbR" (in der Ursula Möller-Bornemann und ihr Enkel Clemens Wülfing den Familienanteil hüten) seit längerem als zerrüttet. Der Konflikt, der seit Jahren auf den Fluren des Erfolgsunternehmens schwelte, eskalierte zwischen November 2006 und Februar 2007 jedoch dramatisch.
Die Möller-Bornemann GbR wirft Bretthauer und Bornemann-Galensa vor, sie hätten die Familie beim Verkauf des 40-Prozent-Anteils des britischen Finanzinvestors 3i regelrecht ausbooten wollen, um die angestrebte Mehrheitsübernahme durch die GbR (sie hielt zu diesem Zeitpunkt 49 Prozent der Anteile) zu verhindern und sich selbst "finanzielle Vorteile" aus dem Anteilsverkauf zu verschaffen. Über Monate sei das Bieterverfahren von 3i geheim gehalten worden, bis am 28. November 2006 plötzlich ein fertiger Kaufvertrag mit Colfax zugestellt wurde.
Für die Familien-GbR eine brenzlige Situation. Sie wirft Bretthauer und Bornemann-Galensa vor, Verkaufsverhandlungen hinter ihrem Rücken nicht nur für 3i, sondern auch für die eigenen Anteile (gemeinsam knapp vier Prozent) geführt zu haben. Über einen Stimmbindungsvertrag, so das Szenario, hätten auch die elf Prozent Management-Anteile eingebracht und eine 51-Prozent-Mehrheit für Colfax erzielt werden können. Aus Sicht der GbR stand nichts Geringeres zum Verkauf als die 150-jährige Familientradition.
Dr. Jochen Berninghaus, Rechtsanwalt von Bretthauer und Bornemann-Galensa, bestreitet für beide Mandanten, dass sie Verhandlungen über den Verkauf der eigenen Anteile geführt hätten. Bretthauer selbst erklärt, man habe überhaupt "nicht gestaltend" in den Verkauf eingegriffen: "Das war allein Sache von 3i." Zwar sei er frühzeitig über das Verfahren informiert gewesen, offiziell habe aber auch er erst im November vom Zuschlag für Colfax erfahren.
Die Situation war mindestens offen, ein Mehrheitsverkauf nicht auszuschließen. Immerhin haben 3i und die Manager vor zwei Jahren einen Stimmenpool-Vertrag geschlossen, der bestimmte Verhaltenspflichten auferlegte. Rechtsanwalt Berninghaus räumt ein, dass die Manager bei einem Verkauf hätten mitziehen müssen, falls Colfax dies verlangt hätte. Ob Colfax die Forderung stellt, sei jedoch offen geblieben.
Wäre es zum Verkauf gekommen, würde die Zukunft Bornemanns und seiner über 400 Mitarbeiter heute wohl skeptischer beurteilt. Das Interesse des US-Konzerns dürfte eher Know-how und Patenten gegolten haben als dem Produktionsstandort Gelldorf. Ausgerechnet gegen die holländische Colfax-Tochter Houttuin führt Bornemann einen Patentrechtsstreit, der in zwei Instanzen gewonnen wurde. Bei einem endgültigen Prozesserfolg kämen enorme Schadensersatzforderungen auf Colfax zu.
Die "Liquidation des Betriebes in Obernkirchen" wäre die "logische Konsequenz" aus einem Verkauf an Colfax gewesen, sagt Bornemann-Rechtsanwalt Dr. Hans Dehmer. Sein Kontrahent Berninghaus sieht das naturgemäß anders: Als Sprecher des Manager-Pools hätte Bretthauer seine Zustimmung zu einem Verkauf nur bei einem Erhalt des Standortes Obernkirchen gegeben, die Standort-Bedingung sei vertraglich vereinbart gewesen.
Nach derüberraschenden Zusendung des Colfax-Vertrages blieb der Familie nur eine Vier-Wochen-Frist, um das Vorkaufsrecht für die 3i-Anteile auszuüben und im schwierigen Monat Dezember einen zweistelligen Millionenbetrag aufzutreiben. Mit Hilfe der Landesbank Baden-Württemberg sei "das fast Unmögliche"gelungen: Die Landesbank-Tochter BWK hält jetzt 37 Prozent am Unternehmen,
die Familien-GbR hat drei Prozent gekauft und ihren Anteil damit auf sichere 52 Prozent aufgestockt.
Mit dem abgewendeten Verkauf spitzte sich der Konflikt unter den Gesellschaftern indes weiter zu. Die Familien-GbR bewertete einen (vom Beirat 2005 mehrheitlich gebilligten) Ergänzungsdienstvertrag für Bretthauer, in dem ein Sonderkündigungsrecht bei Gesellschafterwechseln mit "extrem hoher Abfindung" geregelt sei, als rechtsunwirksam und drängte auf Änderung. Bretthauer dagegen nahm genau dieses Recht in Anspruch, kündigte am 29. Januar und ließ sich durch das Beiratsmitglied Hans-Jürgen Jabs eine Brutto-Summe von rund 1,1 Millionen Euro auf sein Privatkonto überweisen.
Für die Familien-GbR ein Akt dreister Selbstbedienung, der nicht nur die fristlose Kündigung, sondern auch die Verhängung eines Hausverbotes gegen den Geschäftsführer zur Folge hatte. Bretthauer wollte sich per einstweiliger Verfügung wieder Zutritt ins Büro verschaffen und die Kündigung anfechten, scheiterte damit aber am 1. März vor dem Landgericht. Mit der Berufung befasst sich Anfang November das Oberlandesgericht Celle.
Bretthauer wertet die Zahlung als "absolut korrekt"; es seien vertragliche Ansprüche ausbezahlt worden. Durch den Vorsitzenden des Beirates (von der Gegenseite wird diese Funktion für Jabs zu diesem Zeitpunkt bestritten) sei dies nicht nur genehmigt, sondern zuvor über den neutralen Firmenanwalt auch geprüft worden. Es handle sich um eine "Abschlagszahlung" auf die Restlaufzeit seines Vertrages. Aus dem Protokoll einer Gesellschafterversammlung geht hervor, dass auch die Management-Gesellschafter in einer von Bornemann-Galensa abgegebenen Erklärung die Kündigung und Überweisung für rechtmäßig halten.
Die Familien-GbR jedoch will auf Rückzahlung der Summe klagen. Damit allerdings erschöpft sich die juristische Aufarbeitung des Gesellschafter-Konflikts keineswegs, Bretthauer und Bornemann-Galensa gehen ihrerseits mit zwei Klagen gegen die Bornemann GmbH vor.
Im ersten Verfahren, das am kommenden Dienstag verhandelt wird, fechten die Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung von März und Mai 2007 an, mit denen der Geschäftsführer abberufen, sein Geschäftsanteil eingezogen und der Anteilserwerb der Landesbank genehmigt wurde. Bretthauer und Bornemann-Galensa sind der Auffassung, dass der zunächst treuhänderische Erwerb durch die GbR unwirksam ist, weil ihm die Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung gefehlt habe.
In einem weiteren Klageverfahren vor dem Landgericht sollüber die Höhe der Abfindung verhandelt werden, die Bretthauer und Bornemann-Galensa für ihre Geschäftsanteile erhalten. Beide haben zwischenzeitlich ihren Austritt als Gesellschafter erklärt. Laut beklagter Bornemann GmbH begehren beide ein "Mehrfaches" des für das Ausscheiden als Management-Gesellschafter vorgesehenen Betrages.
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