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Die Wohnung von Luise und Willi Reimann ist in Apricot-Tönen gehalten. Luise Reimann entschuldigt sich für den Essensgeruch im Flur, sie habe Tomatensoße gekocht. Fast zwei Jahre wohnen die Reimanns nun schon in der 2004 eröffneten Betreuten Wohnanlage Sonnengarten in Obernkirchen und gehören somit zu den Bewohnern der ersten Stunde. Damit liegt das Ehepaar im Trend: Betreute Wohnanlagen haben die klassischen Altenheime unlängst abgelöst.
In den meisten Fällen wird der Verbleib in der eigenen Wohnung von den Seniorinnen und Senioren auch mit zunehmendem Alter gewünscht. Insbesondere bei Pflegebedürftigkeit, aber auch zur Absicherung und Erleichterung des täglichen Lebens älterer Menschen werden dann bauliche Anpassungen nötig. Diese reichen vom Anbringen technischer Hilfsmittel (z.B. Haltegriffe)über Alltagsunterstützungen, wie das Erhöhen des Bettes, bis hin zu Umbauten zum Zweck der Barrierefreiheit, etwa bodengleiche Duschen. Da jedoch die Unterstützung durch die eigene Familie durch Erwerbstätigkeit und den Rückgang der Kinderzahl zunehmend schwieriger wird und eine Erleichterungdurch ambulante Dienste oft nicht in Anspruch genommen wird, steigt die Nachfrage nach alternativen Wohnformen.
Altenheime werden durch Betreutes Wohnen vielfach ersetzt: Wer noch fit genug ist, einen eigenen Haushalt zu führen, entscheidet sich für betreute Wohnanlagen, Pflegebedürftige ziehen statt ins Altersheim eher in ein Pflegeheim. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Einführung der Pflegeversicherung, die ambulanter Pflege den Vorzug vor stationärer gibt - die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes innerhalb des Betreuten Wohnens gilt als ambulant und kann mit Leistungen aus einer Pflegeversicherung abgegolten werden.
Der Grund für einen Einzug ist einschneidend wie simpel: Das Alter macht sich bemerkbar. Der Unterhalt von Haus und Hof ist für Senioren schwerer zu bewältigen. "Hier brauchen sie sich nicht ums Schneeräumen und das Putzen des Treppenhauses zu kümmern", so Werner Hobein, Geschäftsführer der Anlage Sonnengarten.
Diese Erfahrung hat auch das Ehepaar Reimann gemacht: der Garten, Rasen mähen, das wurde alles zu viel. Nun genießt man das Leben in gleichgesinnter Nachbarschaft: "Man sieht sich, man redet", sagt Luise Reimann. Gelegentlich werden auch gemeinschaftliche Unternehmungen wie Grillen oder das Weihnachtsfest organisiert, dennoch setzt man auf Eigenständigkeit. Schließlich werden ohnehin Kontakte gebildet, ohne dass eine Unterstützung dabei notwendig wäre.
Hobein betont: "Es ist eben kein Altersheim, der Bewohner soll und muss erst mal sehen, dass er alleine klarkommt". Die Idee des Betreuten Wohnens sei es, die Eigeninitiative zu fördern: "Eine Rundumversorgung mit allem Pipapo, das kriege ich im Altersheim." Diese Eigenständigkeit steigert letztlich Wohlbefinden und Gesundheit der Bewohner, meint auch Werner Hobein: "Ich denke schon, dass das den Menschen mobilisiert." Für kleine und große Belange ist eine Hausdame der Ansprechpartner und natürlich der Pflegedienst: "Der ist da, da kann man hingehen."
Betreute Wohnanlagen gibt es mittlerweile in allen größeren Ortschaften Schaumburgs, die angebotenen Dienstleistungen sind weitgehend identisch. Diese Wohnform bietet zwei Vorteile: Die eigenen vier Wände, selber gestaltet und möbliert, ermöglichen ein eigenständiges und eigenverantwortliches Leben. Die Wohnanlagen sind durchweg barrierefrei und somit rollstuhlgerecht, die zugehörigen Wohnungen sind entsprechend ausgelegt, geräumig und werden zumeist käuflich erworben.
Darüber hinaus wird beispielsweise in der Anlage Sonnengarten eine soziale Grundpauschale gezahlt, darunter fallen unter anderem die hauseigenen Notrufeinrichtungen. Hinzu kommt die Sicherheit durch einen stets erreichbaren Pflegedienst im Hintergrund und die Möglichkeit der Inanspruchnahme zusätzlicher hauswirtschaftlicher Dienstleistungen, sei es innerhalb der Anlage oder von außerhalb. Hobein: "Es kann sich jeder Bewohner seine Leistungen frei vom Markt holen." Diese Vorteile schwinden jedoch bei zunehmender Pflegebedürftigkeit, intensive Pflege kommt dann teurer zu stehen als in einer stationären Pflegeeinrichtung.
In die betreute Wohnanlage Sonnengarten ist ein Einzug in der Regel ab einem Alter von 60 Jahren möglich, bei Schwerbehinderungen gibt es Ausnahmen. Die Bewohner stammen größtenteils aus Obernkirchen, weiteren Zulauf erhält die Anlage aus der näheren Umgebung. Den Großteil der Bewohner stellen Ehepaare, unter den Einzelpersonen sind Frauen häufiger als Männer. "Die demographische Entwicklung spiegelt sich letztlich hier wider", sagt Hobein. Lebensgemeinschaften innerhalb des Freundes- oder Verwandtenkreises seien eher selten, aber "denkbar ist das allemal". Ein Wohnpartner ermöglicht gerade im Falle erhöhten Pflegebedarfs den Verbleib innerhalb der Anlage.
Schaumburg ist mit Plätzen in Pflege-, Altersheimen und betreuten Wohnheimen bestens versorgt: Mitte 2001 standen nach Angaben der Niedersächsischen Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen in Niedersachsen 77
000 Plätze in etwa 1200 Einrichtungen zur Verfügung, über 85 Prozent davon entfielen auf Pflegeplätze. Dementsprechend standen pro 100 Einwohner über 65 Jahre acht Plätze in Pflege- und Altenheimen sowie entsprechenden Wohnanlagen zur Verfügung - eine Quote, die unter Berücksichtigung derer, die ambulant gepflegt werden, auch landesweit großzügig ist. Neben Göttingen liegt der Kreis an der Landesspitze und überragt deutlich den niedersächsischen Schnitt von 5,8. Die vorhandenen Plätze, so Werner Hobein, reichen zurzeit allemal, allenfalls seien Plätze im Überhang.
Was bleibt also noch zu tun, um im Alter Lebensqualität zu sichern? Hobein sieht da ein Standortproblem. Senioren benötigten in unmittelbarer Umgebung sichere Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten: "Wir müssen weg von der grünen Wiese, dahin, wo noch Leben ist." Luise Reimann schaut auf ihre behindertengerecht gebauteDusche: "Wissen Sie, was uns fehlt? Eine Badewanne!"
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