Rinteln (wm).
In den letzten Jahren, schilderte Cornelia Kurth, bei der Arbeitsagentur zuständig für Auszubildende, habe man die Lage am Ausbildungsmarkt immer als "schlecht" bezeichnet, inzwischen sei sie "dramatisch". Ihr Appell an alle "unentschlossenen" Chefs heimischer Betriebe: Doch noch einmal darüber nachzudenken, ob sie nicht doch Azubis einstellen wollen.
In Rinteln, dem Auetal und Stadthagen suchen derzeit 469 Jugendliche Lehrstellen, unbesetzte Stellen gibt es aber nur 116. Im Handwerk beispielsweise gibt es für 156 Bewerbern gerade mal 51 offene Lehrstellen. Im Agrarbereich wollen sich 22 Jugendliche als Landwirte, Gartenbau, oder in der Forst ausbilden lassen - drei Lehrstellen sind bei der Arbeitsagentur gemeldet. Nicht besser sieht es bei den Dienstleistungsberufen aus: 282 Bewerber kommen hier derzeit auf 62 angebotene Lehrstellen.
Azubis von heute, gab Cornelia Kurth in einer Pressebesprechung in der Agentur in Rinteln zu bedenken, seien die Fachkräfte von Morgen. Ab 2010 kämen die geburtenschwachen Jahrgänge. Und schon heute zeichne sich langfristig ein Fachkräftemangel ab.
Wie paradox der Arbeitsmarkt bisweilen aufgestellt ist, schilderte Cornelia Kurth am Beispiel qualifizierter Altenpflegerinnen: Die würden zwar gesucht, gleichzeitig weigerten sich Alten- wie Seniorenheime die für eine Ausbildung erforderlichen Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Am schlechtesten sei die Lage im Handwerk. Wobei Cornelia Kurth für die Handwerksbetriebe noch Verständnis aufbringt: Der Winter war lang,die Auftragslage ist angespannt, ob die Konjunktur wie erwartet anspringt, glaubt noch niemand so recht. Dabei könne sie Tischler, Maler und andere Handwerker vermitteln, die mit guten Noten ihr obligatorisches Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) abgeschlossen haben. Auch warum Ärzte derzeit zögerten, Arzthelferinnen einzustellen, könne man verstehen, die Diskussion um die Gesundheitsreform in der Presse verfolgen. Auch im öffentlichen Dienst - sonst großzügig bei der Einstellung von Nachwuchs - sei die Zahl der Ausbildungsplätze drastisch zurückgegangen, mit eine Folge der knappen kommunalen Kassen wie der Umstrukturierung in den Ämtern.
Umgekehrt die Lage bei einigen kaufmännischen Berufen. Vor allem kleinere Unternehmen suchten noch Auszubildende, die müssten allerdings ein gutes Halbjahreszeugnis vorlegen können: "Wir reden hier von einem Notenschnitt von 3,0 und besser". Oft erlebe sie in Gesprächen mit Jugendlichen allerdings auch, dass trotz aller Informationstage wie Betriebspraktika viele Berufsanfänger völlig unrealistische Vorstellungen hätten: Tierpfleger sei beispielsweise so ein Traumberuf, doch wo gibt es Zoos? Der Zoo Hannover könne unter 500 und mehr Bewerbern auswählen.
Oft scheiterten Jugendliche bei einer Suche nach einem Ausbildungsplatz auch an ganz banalen Problemen wie der Mobilität: Mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln kommt man eben nicht aus dem Auetal nach Minden in einen Bäckereibetrieb.
Und viele Jugendliche unterschätzten die Anforderungen, die inzwischen auch im traditionellen Handwerk durch die modernen Technik enorm gestiegen seien: Mit einer fünf im Mathematik sei da nichts mehr zu machen. Wer beispielsweise Bäcker, Fleischer, Koch - früher Hauptschulberufe - werden wolle, habe mit einem Realschulabschluss die deutlich besseren Chancen.
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