Stadthagen (jl).
Otis ist in Stadthagen jetzt endgültig Geschichte. Denn das letzte Überbleibsel des Fahrtreppen-Herstellers, die Qualifizierungsgesellschaft für die Schluss-Belegschaft von 359 Mitarbeitern, hat ihren Betrieb eingestellt. Am Montag wurde Bilanz gezogen. Demnach sind noch 162 ehemalige Otis-Leute auf Job-Suche.
Gefehlt haben bei der Schlussbilanz Vertreter des Unternehmens, das das "technologisch beste Fahrtreppenwerk in Europa platt gemacht und einen sozialen Kahlschlag in der Region angerichtet hat", so der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Ali Naghi. Otis wolle zu dem Thema nichts in der Presse lesen und nehme deshalb nicht teil, begründete Naghi die Abwesenheit seines ehemaligen Arbeitgebers, der Stadthagen wegen der Hoffnung auf höhere Rendite in Tschechien geschlossen hatte. Ob diese Hoffnung sich erfüllt hat, dazu wollte der ehemalige Arbeitnehmervertreter nichts Detailliertes sagen. Diese Fragen müsse die Firma selbst beantworten, habe er bis jetzt jedem gesagt. Naghi rang sich dann aber zu der Bemerkung durch: "Das ist voll in die Hose gegangen."
In seiner Bilanz setzte er im Jahr 1990 an, als das Stadthäger Werk die ersten 50 Arbeitsplätze wegen einer Produktionsverlagerung verloren hatte. Von 1998 an war der Personal-Aderlass trotz Betriebsvereinbarungen, trotz großer Investitionen, trotz Beteuerungen der Berliner Zentrale nicht mehr zum Stillstand gekommen. Noch während die zweite Qualifizierungsmaßnahme für bis dato knapp 550 Entlassenen lief, kam am 2. März 2004 das Aus für Stadthagen. Weil das Mittel Betriebsvereinbarung sich zweimal als untauglich erwiesen habe, sei von der IG Metall der Streik für den Zusatztarifvertrag ausgerufen worden, der nach sieben Wochen zum Erfolg geführt habe.
Weil die Werkschließung nach den Worten des IG Metall Bevollmächtigten Uwe Christensen "in der öffentlichen Wahrnehmung alles übertroffen hat", wird nach seiner und Naghis Einschätzung "seitdem über Globalisierung anders diskutiert". Nicht nur, dass der von der Belegschaft ertrotzte Tarifvertrag für Abfindungen und die einjährige Qualifizierungsmaßnahme Schule gemacht habe -zum Beispiel bei AEG in Nürnberg. Christiansen meint, in den Betrieben eine Tendenz erkannt zu haben, über Probleme im Vorfeld zu reden und mit den Belegschaften Ideen zu entwickeln.
Die letzte Otis-Qualifizierungsmaßnahme hat die Wolfsburger Firma "Autovision" durchgeführt. Daran haben 300 Mitarbeiter teilgenommen. 59 hatten unmittelbar nach der Schließung neue Jobs gefunden. Dies führte Naghi auf die Unterstützung durch ein großes regionales Netz aus Landkreis und anderen Beteiligten zurück. "Es ist auch für uns etwas Besonderes gewesen, wie die regionalen Akteure sich gekümmert haben", merkte Hans König von "Autovision" an. Nach seinen Worten haben die 162 Arbeitslosen von den eigenen Voraussetzungen her gute Chancen, neue Jobs zu bekommen, von der wirtschaftlichen Lage aber eher nicht.
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