RINTELN. Macht KI, die Künstliche Intelligenz, bald alle Künstler, Grafiker und Komponisten überflüssig – weil sie besser als der Mensch wird? Diese Frage stellen die Museen Rinteln und Bad Oeynhausen in einer Doppel-Ausstellung – Deutschlands erster Ausstellung, die fast komplett von Künstlicher Intelligenz geschaffen wurde.
Ob Pop-Art Kunst, Karikaturen, Gemälde im Stil der Alten Meister oder die Ausstellungsmusik und sogar die Texte: Alles haben Algorithmen erzeugt, auf der Basis von nur wenigen menschlichen Regieanweisungen.
Als 2016 in den Niederlanden ein brandneuer Rembrandt auf der Bildfläche erschien, kam dieser aus dem Rechner: gemalt „im Stil des niederländischen Meisters“, erschaffen mit KI, gefüttert mit Daten aus 346 „echten“ Rembrandt-Gemälden, errechnet von unzähligen Algorithmen, die ein Team von Experten der KI beigebracht hatten.
Wie die alten Meister – nur Milliarden Mal schneller
Rätselhaft wie da Vincis Mona Lisa sieht er den Betrachter an: Kapitän Nemo aus Jules Vernes 20 000 Meilen unter dem Meer. Will er vor den Schrecken der Tiefsee warnen? Schaut er gedankenverloren in die Ferne? Oder spricht aus seinen Augen gar der Wahn des manischen Forschers? Sein gewaltiger Bart windet sich tentakelhaft nach außen; auf seiner Mütze prangt ein Bullauge, das wie ein Tor zu seinen finsteren Gedanken ist.
Der düstere Nemo ist eines von über 80 Gemälden, die die Museen Bad Oeynhausen und Rinteln in ihrer neuen Doppelausstellung „Alles Kunst! Meisterwerke der Künstlichen Intelligenz“ zeigen – eindrucksvoll präsentiert auf übermannsgroße Leuchtrahmen. Darunter ist etwa ein feister König, umgeben von grinsenden Räubern (nach dem Vorbild barocker Meister), ein pastellfarbener Gestiefelter Kater, der das Fechten übt (im amerikanischen Comic Stil des frühen 20. Jahrhunderts), oder einen Papst Franziskus auf dem Skateboard (im Look einer Aquarellskizze). Wie die alten Meister – nur Milliarden Mal schneller.
Was macht eigentlich glücklich? Und gibt es einen Gott?
„All diese Bilder sind Auftragsarbeiten“, sagt Dr. Hendrik Tieke, Leiter des Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseums Bad Oeynhausen, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung. „Wir haben der KI unsere Wünsche in Form von wenigen Stichpunkten mitgeteilt. Je nachdem, wie ihre Vorschläge uns dann gefielen, haben wir uns für einen entschieden oder weitere angefordert: genauso, wie es früher die adeligen Auftraggeber der großen Meister getan haben“.
Voyage through Time" von Xander Steenbrugge
Der einzige Unterschied zu diesen Meistern: Wo bei ihnen der Schaffensprozess oft Wochen oder Monate dauerte, war hier ein Bild nach nur wenigen Minuten fertig. „Mit unserer Ausstellung wollen wir zeigen, wozu künstliche Intelligenz mittlerweile fähig ist“, sagt Dr. Stefan Meyer vom Eulenburgmuseum Rinteln, der andere Kurator der Ausstellung. „Und wir wollen auch Fragen aufwerfen: Kommt Kunst bald ohne den Menschen aus? Und ist ab sofort jeder ein Künstler, der mit ein paar Gedanken ein Programm füttert und ihm dann die Ausführung überlässt?“
Selbst die menschliche Museumsarbeit stellen die Macher der Ausstellung zur Debatte: Die Ausstellungstexte und die Eröffnungsrede hat eine KI geschrieben. Auch die Hintergrundmusik und die Video-Installationen ließen KI-Programmierer von Künstlicher Intelligenz erstellen.
Außerdem beantwortet eine KI die großen Fragen des Lebens, etwa: Was macht eigentlich glücklich? Und gibt es einen Gott?
Zwar merkt man einigen der Werke noch an, dass sie nicht von Menschen stammen: So findet man bei genauerem Hinsehen auf manchen Bildern etwa Hände mit sieben Fingern oder ein Skateboard mit drei Rädern. Und auch manche der erklärenden Texte halten keinem genaueren Faktencheck stand. Allerdings steht die neue Technologie ja noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung.
Steht dahinter menschliches Fühlen und Wissen?
Die Ausstellung wirft Fragen auf: Welchem Respekt zollt der Mensch also in Zukunft Bildern, Videos, Texten oder Liedern, wenn man eines wahrscheinlich nicht mehr ganz so fernen Tages gar nicht mehr unterscheiden können: Steht dahinter menschliches Fühlen und Wissen? Oder ist es bloß die unbegrenzt verfügbare „Künstliche Intelligenz“, die menschliche Empfindsamkeit und Erfahrung nur in Perfektion nachahmt? Die Besucher der Ausstellung können sich dazu ein eigenes Urteil bilden.
Perfektion, die übrigens einen Markt findet: Schon 2018 erzielte ein KI-generiertes Kunstwerk erstmals einen respektablen Verkaufserfolg. Das Gemälde „Edmond De Belamy“, gemalt von einem Algorithmus, der zuvor mit 15 000 Gemälden aus verschiedenen Epochen gefüttert worden war, wurde beim New Yorker Auktionshaus Christie’s versteigert – für 433 000 US-Dollar.
Und in der Ecke des Gemäldes ist statt einer Künstlersignatur die Formel eines Algorithmus zu lesen.
Willkommen, schöne neue Kunstwelt.