Wie ein organisch gewachsenes Skelett mit Rädern sieht das schwarz glänzende Gefährt aus. Von einer geschwungenen Wirbelsäule verzweigen sich die Rippen. Die Räder sind an vier Gliedmaßen montiert, die auch Arme oder Beine sein könnten. „Das ist keine Maschine, es ein Wesen“, sagt Marius Rosenthal (24). Gemeinsam mit fünf Kommilitonen hat er die sogenannte Menschmaschine an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim-Holzminden-Göttingen entwickelt.
Inspirieren lassen haben sich die Studenten von Science-Fiktion-Filmen wie „Star Wars“, die sie als Jugendliche verschlungen haben. Das Besondere an dem Gefährt sei, dass sich die Maße der Maschine individuell an den Körperbau der Benutzer anpassen lassen, berichtet Thyll Niebergall (26). Der Grund dafür: Alle Teile werden mit einem 3D-Drucker produziert. „Das heißt, für einen kleinen Nutzer können wir ein verkleinertes Modell drucken – und für einen besonders großen eine gestreckte Version.“ Wenn sich der so eingescannte Mensch dann bäuchlings auf die Wirbelsäule seiner Maschine legt, verschmilzt er förmlich mit dem Gefährt. „Die Menschmaschine ist eine Prothese“, erzählt Andreas Schulz, der die Arbeit der Studierenden betreut. Die Maschine erweitere die Möglichkeiten des menschlichen Körper mit minimalem Materialaufwand, indem sie ihn nachbilde und sich praktisch an ihn anschmiege. Erdacht wurde das Gerät, um mit ihm das Akkuschrauber-Rennen 2016 zu gewinnen. Diesen Wettbewerb hat der Professor für Produktdesign gemeinsam mit seiner Kollegin Barbara Kotte vor neun Jahren ins Leben gerufen.
Design-Studie
aus dem 3-D-Drucker
Die Vorgabe ist, dass alle teilnehmenden Gefährte mit einem handelsüblichen Akkuschrauber angetrieben werden sollen. Die ungewöhnliche Aufgabe soll die teilnehmenden Teams motivieren, sich von eingefahren Denkmustern zu verabschieden und neue Konzepte der Fortbewegung zu entwickeln. Der Wettbewerb führt jedes Mal etwa 15 bis 20 Hochschulen aus aller Welt zusammen. So entstehen Geräte wie die Menschmaschine aus dem 3-D-Drucker. Die Entwicklung dieser Drucker werde schon bald das Leben in allen Bereichen beeinflussen, sind sich die Beteiligten sicher. Durch die individuelle Produktion von Bauteilen seien völlig neue technische Innovationen denkbar. Die Menschmaschine sei nur ein Prototyp, betont Professorin Kotte. Vorstellbar seien alle möglichen Anwendungen, die es dem Menschen erlaubten, seinen Körper zu erweitern und so Dinge zu tun, die ihm sonst nicht möglich seien.
Und das klingt dann tatsächlich so, als ob die Visionen der Science-Fiction-Filme Wirklichkeit werden könnten - individualisierte Fluggeräte zum Beispiel, mit denen Menschen einfach den engen Straßenraum verlassen und zur Arbeit fliegen könnten.
Dafür sei jedoch ein Problem noch nicht gelöst, erklärt Student Niebergall. Zum Fliegen benötige man extrem viel Energie und die Haltbarkeit von Akkus sei nicht sehr groß. Das betrifft auch die gerade entwickelte Mensch-Maschine: Mit dem Akku kann das Gefährt nur ein bis zwei Kilometer weit fahren – dann muss es neu aufgeladen werden.
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