Holger Wellner, Sprecher des Hamelner Einzelhandels, ist deutlich weniger begeistert als Harald Krüger. Grundsätzlich findet er zwar in Ordnung, was da entstanden ist, „aber wir haben in und um Hameln absolut genug Verkaufsfläche“, erklärt er. Und 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche seien schon eine ganze Menge. „Das wird den Wettbewerb wieder verschärfen, denn die Rabatte, die auf die Sonderposten der Textilindustrie gegeben werden, erhöhen den Wettbewerbsdruck.“ Das sehe er durchaus kritisch. Aber es sei ein bundesweiter Trend, der nicht dazu beitrage, dass es dem Handel besser geht. Ob das Bessmann Outlet auf Hameln ausstrahle, komme darauf an, wie es von den Kunden angenommen werde. Der Hamelner Fachhandel könne sich gegen die Wettbewerbsverschärfung durch mehr Verkaufsflächen und den zunehmenden Internethandel nur wehren, wenn er sich durch besseren Service profiliere und sich durch von Outlets und dem Internethandel abhebe. „Der Preis ist zwar wichtig, aber nicht das einzige Kaufkriterium“, glaubt Wellner. Eine gute Beratung und ein guter Service würden immer noch vom Kunden geschätzt.
Als Hameln in den 90er Jahren gegen die Baugenehmigung klagte, wurden nach Darstellung von Stadtsprecher Thomas Wahmes „negative Auswirkungen für die Hamelner Altstadt befürchtet“, da mit Kleidung das „bedeutendste Innenstadtsortiment“ angeboten werden sollte. „Die Bedenken bestehen nach wie vor“, erklärt Wahmes. „Ein Fachmarkt in dieser Größenordnung in einem Grundzentrum wie Hessisch Oldendorf entspricht nicht den Zielen der Raumordnung.“
Erste Erfahrungen mit einem Outlet hat beispielsweise die Stadt Soltau gemacht, vor deren Toren am 30. August 2012 ein Factory Outlet mit einer Verkaufsfläche von 9900 Quadratmetern eröffnet hat. Das ist natürlich eine andere Größenordnung als die des Outlets in Hessisch Oldendorf mit seinen 3000 Quadratmetern, vor allem aber steckt eine ganz andere geschäftliche Konzeption dahinter: Denn die rund 60 Läden und Boutiquen in dem Factory Outlet werden von den Herstellern selbst betrieben, während Bessmann ein reines Handelsunternehmen ist, dass sogenannte Überhangware der Industrie auf- und verkauft.
Vor allem aber hat der Betreiber des Soltauer Unternehmens einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt abgeschlossen, der es den Unternehmen im Outlet untersagt, „aktuelle“ Ware zu verkaufen. „Das wird von einer Clearingstelle überwacht“, erläutert Heinz-Georg Frieling, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Heide-Harz in Lüneburg. Allerdings gibt er zu bedenken, dass diese Clearingstelle „kein schneidendes Schwert“ sei und kaum die Möglichkeit für Sanktionen habe. Bislang seien aber noch keine Verstöße gegen den Vertrag festgestellt worden. Frieling: „Die Hersteller können ja auch kein Interesse daran haben, sich selbst und ihren Abnehmern mit Discount-Ware Konkurrenz zu machen.“
Frieling spricht von „erheblichen Auswirkungen“ auf den Soltauer Einzelhandel, auch „wenn sie nicht ganz so dramatisch sind, wie zuvor befürchtet wurde, denn das Outlet wird weniger gut angenommen als erwartet“. Vor allem aber profitiere Soltau nicht von den Besuchern: „Die Leute fahren von der Autobahn runter ins Factory Outlet, aber nicht nach Soltau hinein.“ Ebenso wie Wilhelm Rohkopf, der Bürgermeister der Heidestadt, verfügt auch Frieling über keine belastbaren Zahlen, was Umsätze oder tatsächliche Kundenströme angeht. „Wir wissen nur, dass in einzelnen Geschäften in Soltau Lieferanten ausgelistet wurden, weil sie im Factory Outlet ihre Produkte verkaufen“, erklärt Frieling. Sein Feedback mit Soltau habe ergeben, dass es Umsatzrückgänge im unteren zweistelligen Prozentbereich gegeben habe. Rohkopf will das zwar nicht bestätigen, spricht aber auch von rückläufigen Kundenzahlen in der Fußgängerzone von Soltau. Genauere Ergebnisse werde erst eine Studie erbringen, die im Dezember in Soltau vorgestellt werden soll.
Für Frank Wagner, Referent für Raumordnungsfragen bei der IHK Hannover, und seinen Kollegen Jochen Jansen gehört großflächiger Handel ohnehin in die Innenstädte, vor allem wenn sie „zentrenrelevante Ware wie Lebensmittel, Bekleidung oder Schuhe anbieten“. Das sähen auch das Landesraumordnungsprogramm und die regionalen Raumordnungsprogramme vor. Dass Hessisch Oldendorf jetzt einen 3000 Quadratmeter großen Bekleidungsmarkt erhalte, könne nur damit zusammenhängen, dass der Bebauungsplan noch nach früheren Regeln durchgewunken worden sei. Das räumt auch Harald Krüger ein: „So ein teilintegriertes Zentrum würden wir als Grundzentrum heute nicht mehr bekommen.“
Heiko Wiebusch, Wirtschaftsförderer in der Stadtverwaltung von Hessisch Oldendorf, ist ebenso froh wie sein Chef über die gelungene Ansiedlung. „Die Grundzentren im Weserbergland bluten aus, egal ob man nach Aerzen oder Bodenwerder schaut.“ Das sei eine der Folgen des Baus der Stadtgalerien in Hameln und Hannover, die sich in den Grundzentren „viel heftiger durch den Kaufkraftabfluss ausgewirkt haben als in Hameln selbst“. Mit einem Magneten wie Bessmann überwiegen nach Ansicht von Wiebusch die Chancen die Risiken. Dazu müssten jetzt gute Verbindungen zwischen dem Bessmann Outlet und der Innenstadt hergestellt werden, „damit die Kunden auch Geld in der Innenstadt lassen“. Wiebusch setzt vor allem darauf, dass mit dem Bessmann Outlet Kaufkraft geholt und gebunden werden kann.
Auch Hessisch Oldendorfs Stadtmanager Stefan Schlichte setzt auf eine „generelle Belebung“ der Innenstadt und auf eine Wiederbelebung zusätzlicher Flächen. Am Standort von Bessmann, der ja nur 200 Meter vom Beginn der Langen Straße entfernt sei, müssten die Besucher jetzt auf das Angebot in der Innenstadt aufmerksam gemacht werden.
Nach dem geltenden Landesraumordnungsprogramm hätte im Vorfeld der Errichtung des Bessmann Outlets eigentlich ein Gutachten erstellt werden müssen. Da der Bauantrag aber vor vielen Jahren gestellt wurde, sei das damals wohl noch nicht erforderlich gewesen, vermuten Wagner und Jansen von der IHK Hannover. Mit derartigen Gutachten müsse ausgewiesen werden, welche Umlenkungseffekte für Kunden und Umsätze zu erwarten seien. Mehr als zehn Prozent seien eigentlich nicht zulässig. Dazu gebe es auch bereits Gerichtsurteile. Für das Hessisch Oldendorfer Outlet sei ihnen kein derartiges Gutachten bekannt. Es hätte aber auch nur erstellt werden müssen, wenn der Bauantrag nach dem neuen Landesraumordnungsrecht erstellt worden wäre. Dann hätte sich auch die Landkreisverwaltung als untere Raumordnungsbehörde mit dem Projekt befassen müssen, was aktuell nicht der Fall gewesen sei, wie Landkreissprecherin Sandra Lummitsch bestätigte.
Letzte Vorbereitungen für den großen Tag der Eröffnung: Maggie Michalczyk gehört zu den Mitarbeitern des Bessmann Outlet.