HESSISCH OLDENDORF. „Moin“, sagt Detlev Spilker, und „ein herzliches Glückauf“. „Glückauf“, ertönt es leise aus 17 Kehlen, unten in der Schillathöhle. „Das können Sie aber besser“, ruft Spilker. „Glückauf“, brüllen ihm die 17 Besucher jetzt fröhlich entgegen. Sie stehen in 45 Metern Tiefe in der Tropfsteinhöhle im Süntel. Und sie verbringen eine kühle, und, vor allem, spannende Stunde in Deutschlands nördlichster Tropfsteinhöhle.
Detlev Spilker führt seit dem ersten Tag, an dem die Höhle für Besucher geöffnet wurde, durch das 180 Meter lange Bergstück hinter Hessisch Oldendorf. Der charismatische Reiseleiter hat in 18 Jahren nichts von seiner Begeisterung für die unterirdische Naturschönheit verloren. Obwohl er zigmal in der Woche dieselbe Führung macht, kann er Erwachsenen und, vor allem, Kindern immer noch gut vermitteln, welche Faszination diese tief unter der Erde gelegene Höhle auf ihn ausübt.
„Na, was ist das für ein Tier?“, fragt er die jüngsten seiner Gäste. Den Kids ist es wohl unangenehm, vor so vielen fremden Leute zu reden. Aber Jochen Rehmert sagt: „Ein Frosch.“ Rehmert lebt mit Tochter Minna Cha in Zürich; er stattet seiner Mutter Ute, die aus dem Auetal kommt, einen Sommerbesuch ab. Gemeinsam erkunden sie gerade das Weserbergland; der heutige Höhlenbesuch ist für alle drei eine Premiere.
„Richtig, ein Höhlenfrosch“, erwidert Spilker schmunzelnd. Das Tier ist wohl kaum in einem Lexikon zu finden, aber in der Tat: Der Stein, der Jahrtausende vom Wetter geschliffen worden ist, hat ein typisches Froschgesicht bekommen. Er steht, neben vielen weiteren Exponaten der verschiedenen Zeitalter, etwa der Jura, des Trias und der Kreidezeit, am Rand des 130 Meter langen, schmalen Weges aufgereiht, auf dem die heutigen Höhlenforscher entlanggehen und mehr oder weniger interessiert den Ausführungen von Spilker lauschen.
Zur Einstimmung gibt es einen kurzen 3D-Film – die Brillen dafür sind im Eintrittspreis enthalten – über die Naturschönheiten im Weserbergland, speziell die im Süntel. Über den Uhu, der hier heimisch geworden ist, über den Blutbach, über Steinbrüche, die berühmte Süntelbuche und wildwachsende Orchideen. Und dann geht es mit einem Fahrstuhl hinab auf 45 Meter Tiefe. Zum Vergleich: Das alles überragende Hamelner Mercure-Hotel ist mit 42 Metern fast ebenso hoch.
Die Glaswände des Fahrstuhls gewähren Ausblick auf verschiedene Gesteinsschichten, „die haben hunderttausende Jahre gebraucht, um zu entstehen. Der Bau dieses Fahrstuhls ging deutlich schneller“, erklärt Spilker.
Die Temperatur oben am Eingang der Höhle beträgt 39 Grad Celsius; tief unten im Berg sind es nur knapp zehn Grad Celsius. Den Temperaturunterschied kommentieren alle Besuchenden wohlwollend, „hier bleibe ich bis zum Herbst“, sagt eine Frau, die erst vor Kurzem aus dem Sauerland nach Hameln gezogen ist. Dort gibt es viele derartige Höhlen, und sie hat schon einige besucht, aber „auch diese hier ist sehr interessant. Und sie ist die nördlichste Deutschlands. Der Besuch war für mich als Neu-Hamelnerin Pflicht“.
130 Meter der Höhle sind begehbar; im Gänsemarsch folgen die Interessierten dem weißbärtigen Spilker, dem Mann, der für alles, was man hier betrachten kann, eine Erklärung hat. Kindgerecht sind seine Ausführungen, spannend allemal. Auch eine Weserbergland-Legende kommt hier zu ewigem Ruhm: Die Beine und die Hand des legendären, unsterblichen Cord Baxmann werden von Spilker gezeigt und kommentiert. Der Sage nach sitzt der Gastronom seit dem 16. Jahrhundert hier unten und schöpft Quellwasser mit einem Fingerhut. Nicht nur die Kinder genießen die Geschichten, die Spilker bühnenreif erzählt.
Detlev Spilker zeigt auf Steine am Wegesrand. „Wie heißen die, die spitz nach oben wachsen?“, fragt er. Die Antwort darauf kommt von einigen Kindern und vielen Erwachsenen. Stalagmiten – und deren Gegenstücke, die Stalaktiten – sind die Gesteinsfiguren, die im Laufe der Jahrtausende durch Regenwasser und den darin enthaltenen Kalk entstanden sind. Sie sind Vielen hörbar noch aus dem Biologieunterricht bekannt.
„Und wie heißen die, die zusammengewachsen sind?“ Schweigen bei den Besuchenden. Spilker klärt auch darüber auf. Aber die Lösung verraten wir Ihnen hier nicht. Das können Sie selbst bei Ihrem Besuch in der bizarren Schillathöhle herausfinden. Denn das Weserbergland hat viele Naturschönheiten – entdecken müssen Sie sie allerdings selbst.
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