HESSISCH OLDENDORF / HADDESSEN. Vor einem Jahr hat Arne Laue noch auf der anderen Seite des Tisches gesessen. Damals als Schüler der Oberschule Hessisch Oldendorf. Heute sitzt er als Auszubildender im ersten Lehrjahr Schülerinnen und Schülern der neunten Klasse gegenüber und wirbt bei der Ausbildungsmesse in der Grünen Mensa für den Beruf des Kochs.
Dabei hat der Azubi des Restaurants und Hotels Schaumburger Ritter vor seiner Teilnahme an der Veranstaltung zur Berufsorientierung nicht im Entferntesten an eine Lehre als Koch gedacht: „Ich wollte eigentlich Dachdecker oder Zimmerer werden.“
Viele Branchen leiden unter Fachkräftemangel und schon seit Jahren wird darüber geklagt, dass sich in den Ausbildungsberufen der Nachwuchsmangel verschärft. Und dann kommt auch noch Corona. Es werden viel weniger Stellen angeboten und die Zahl der Bewerbenden sinkt massiv.
Experten sind alarmiert: Betriebe melden deutschlandweit von Oktober 2020 bis Ende April des vergangenen Jahres nur rund 430 000 Lehrstellen und damit rund 60 000 weniger als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie. Noch eine Zahl: Im Oktober 2021 gibt es für das laufende Ausbildungsjahr in Deutschland etwa 28 000 unbesetzte Ausbildungsstellen im Handwerk.
Auch auf die Ausbildungsmesse an der Oberschule in Hessisch Oldendorf hat Corona Auswirkung. „Eigentlich wollten wir zwölf bis 15 Plätze anbieten. Jetzt sind es nur sechs Berufe geworden, die wir vorstellen können“, bedauert Meike Recktenwald. Wenn sie von Plätzen spricht, meint die für die Berufsorientierung an der Schule zuständige Fachleiterin die Tische, an denen Auszubildende sitzen und den Schülerinnen und Schülern Fragen beantworten. Die Fachleiterin hat sich Lena Schumacher, Alina Bauer und Willi Hartmann an die Seite geholt.
Das Team Hartmann hat Erfahrung. Der Ausbildungscoach hat vor sieben Jahren mit „Start – Schule trifft Beruf“ begonnen. „Es ist eigentlich ein Feldversuch gewesen“, sagt er. „Aber es lief so gut, entwickelte Eigendynamik, so ist daraus ein Geschäftsbereich geworden“, fügt er erklärend an. Sein Unternehmen aus Buchholz in der Samtgemeinde Eilsen ist mittlerweile bundesweit gefragt. Im Februar kommt er an zwei Tagen mit seinem Team in die Integrierte Gesamtschule Hameln.
Es hat geklingelt, die nächste Stunde beginnt an der Oberschule. Die Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse kommen in Zweiergruppen in die Mensa und nehmen an den sechs Tischen gegenüber den Auszubildenden Platz. Vertreten sind diesmal Ramsauers Mühle aus Heßlingen, hier werden Pflegefachleute ausgebildet. Fahrzeugbau Schilling informiert über das Berufsbild des Kfz-Mechatronikers, Aldi Nord sucht Einzelhandelskaufleute, der Schaumburger Ritter Gastronomiefachkräfte und Willi Hartmann hat seinen Auszubildenden zum Fachlageristen mitgebracht. Sofort entwickeln sich an den Tischen Gespräche.
Arne Laue stellt sich den Schülern Pascal Wiesner und Fynn Schütte vor. Sie haben einige Fragen an ihn. „Wie sieht die Arbeitszeit aus? Ist der Beruf anstrengend? Welchen Schulabschluss braucht man? Wie sieht die Vergütung in der Lehre aus?“ Die Schüler sind interessiert, wollen wissen wie Laue an seine Lehrstelle gekommen ist. „Durch eben solch eine Beratung, und ich habe schon früher zu Hause gern gekocht.“
Man merkt ihm beim Austausch mit den beiden Schülern an, dass er großen Spaß an seinem Beruf hat. „Nach der Ausbildung kann man sich weiterbilden und spezialisieren. Köche werden in der ganzen Welt gesucht, deshalb kann man viel rumkommen“, schwärmt er. Und dann sei neben der Vergütung in der Ausbildung noch das Trinkgeld, das man bekommt, wenn die Gäste zufrieden sind.
Nach sieben Minuten wechseln die Schüler Pascal Wiesner und Fynn Schütte den Tisch. Die Ausbildungsmesse, auch in coronabedingt kleinem Stil, kann, wie das Beispiel von Arne Laue zeigt, Schülerinnen und Schülern eine Perspektive bieten. Dennoch bleibt die Suche nach Auszubildenden das große Problem für viele Unternehmen. So heißt es von der Bundesagentur für Arbeit: „Wir vermuten, dass sich ein Teil der jungen Menschen in der aktuellen Situation vom dualen Ausbildungsmarkt zurückzieht und von vornherein auf Alternativen wie weiteren Schulbesuch oder gegebenenfalls ein Studium ausweicht.“