Ein Jahr Pause, im Folgejahr dann eine Veranstaltung unter Corona-Auflagen. Am Sonntag fand die Maikundgebung der Gewerkschaften nun erstmalig wieder unter normalen Rahmenbedingungen statt. Politisch aber sind durch den Ukraine-Krieg gerade alte Normalitäten hinweggefegt worden. Das wurde auch im Bürgergarten deutlich.
HAMELN. Der dringlichste Appell aus Hameln richtet sich an jemanden, der ihn kaum hören dürfte: „Herr Putin, beenden Sie sofort diesen Krieg, beenden Sie diesen Wahnsinn“, sagte Hauptredner Ralf Becker, Landesbezirksleiter Nord der IG Bergbau, Chemie, Energie.
Rund 300 Zuhörer hatten sich zur DGB-Maikundgebung vor der Konzertmuschel im Bürgergarten versammelt. Gewerkschaftsfahnen wurden geschwenkt, ein DKP-Anhänger zeigte tiefrot Flagge. Die anwesenden Lokalpolitiker aber deckten ein breites politisches Spektrum ab: SPD, Linke, Grüne, FDP.
Hamelns CDU-Oberbürgermeister Claudio Griese sprach ein Grußwort und erntete Applaus. Etwa als Griese mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sagte: „Ich finde, es wird viel zu wenig über Frieden gesprochen.“ Waffen allein würden den Krieg nicht beenden, Verhandlungen müssten her.
Hamelns Oberbürgermeister Claudio Griese hebt Gemeinsamkeiten mit Gewerkschaften hervor
Der Oberbürgermeister – von der DGB-Regionssekretärin Dr. Imke Hennemann-Kreikenbohm versehentlich angekündigt als „Mario Griese“ – hob Gemeinsamkeiten mit den Gewerkschaften hervor. Etwa beim Thema Frieden, beim Kampf gegen Rechts oder als es darum ging, im vergangenen Pandemie-Winter ein Zeichen gegen die „Montagsspaziergänge“ zu setzen.
Plötzlicher Gasstopp? „Wir sind nicht unabhängig genug“
Hauptredner Becker richtete den Blick dann auf die Folgen des Krieges. Auf Millionen Flüchtlinge, die ihr Land verlassen mussten. Aber auch auf wirtschaftliche Folgen der fälligen Sanktionen. Steigende Energiepreise, die der Staat abfedern müsse beispielsweise. Einen abrupten Gas-Stopp oder ein unkontrolliertes Ende des Bezugs von Erdöl, aber schade der deutschen Volkswirtschaft zu sehr: „Wir sind nicht unabhängig genug, um uns das leisten zu können“, sagte Becker.
Die deutsche Energieversorgung müsse schnell breiter aufgestellt, in regenerative Energien investiert werden. Im Jahr 2021 sei kein einziges Offshore-Windrad in Deutschland gebaut worden. Ein „Skandal“, findet der Landesbezirksleiter der IGBCE. Die Schuldenbremse dürfe dem auf Bundesebene nicht im Weg stehen. „Um zu handeln, brauchen wir Geld.“
Bob Dulas singt Bob Dylan
Doch auch klassische Arbeitsmarktpolitik kam an diesem Tag der Arbeit noch zur Sprache. Das Instrument der Kurzarbeit habe drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gerettet. Es sei weiterhin unerlässlich. „Bedauerlich ist jedoch, dass nur wenige Betriebe die Kurzarbeit für Qualifizierung genutzt haben“, findet Becker. In seinen Augen „eine verpasste Chance“. Schließlich komme es schon jetzt zu Produktionsausfällen aufgrund ausbleibender Materiallieferungen und steigender Energiekosten als Folge des Krieges in der Ukraine. Steigen müsse indes die Impfquote in Deutschland, diese seien „gelebte Solidarität“.
Anschließend wurde die Maikundgebung im Bürgergarten zur Maifeier. Statt Reden waren nun das Hamelner Rock-Urgestein Bob Dulas und seine Cliffhangers zu hören. Nicht unpassend zur aktuellen Lage zumindest der Titel ihres ersten Stückes: Bob Dylans „The Times They Are a-Changin‘“.
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