Doch Greten gibt zu, dass das Anwerben junger Leser nicht einfach ist. Das Problem liege vor allem in der nachlassenden Kooperation: Während früher eine Führung durch die Stadtbücherei in allen Schulen Pflicht gewesen sei, stehe sie mittlerweile nicht mehr auf dem Lehrplan. Daher werbe er derzeit bei der Schulleiterkonferenz dafür, mit den Klassen in die Bücherei zu kommen. „Rund 80 Führungen bieten wir derzeit pro Jahr an.“ Werbung in der Schule zu machen, bringe nicht so viel. Die Stadtbücherei im Kontext „Schule“ darzustellen, sei für die Jugendlichen nicht sehr attraktiv. Daher sei es das Wichtigste, so Greten, die Kinder „ins Haus zu bekommen“. Mit dem Vorlese-Projekt „Bücher-Minis“ zum Beispiel versuche man, schon Kleinkinder an die Bücherei zu binden. Das Ferienprogramm Juliusclub setze die Bindung für Schulkinder fort.
Die Erfahrungen mit einem kostenlosen Leseausweis seien eher negativ gewesen, so Greten. „Da fanden wir viele Ausweise auf dem Boden liegend.“ Daher sei es besser, wenn für den Ausweis ein kleiner Betrag fällig werde.
Auf den Vorschlag von Linken-Vertreter Peter Kurbjuweit, man könne für den Bundesvorlesetag am 15. November werben, reagierte Greten zurückhaltend. Schließlich gebe es fast „jeden Tag einen Tag für irgendwas“. Man solle solche Tage nicht überschätzen – 2012 sei der Vorlesetag auch „nicht so erfolgreich“ gewesen.
Dass digitale Medien auf dem Vormarsch sind, bemerken auch die Mitarbeiter der Stadtbücherei: Hörbücher, CDs, DVDs oder E-Books machen konventionellen Büchern immer häufiger Konkurrenz. Diese Entwicklung wird von der Bücherei sogar befeuert: Bis Jahresende soll jede zweite Ausleihe elektronische Medien betreffen. Schon jetzt ist das Ziel fast erreicht, die Quote liegt bei knapp 49 Prozent. Warum also braucht man überhaupt eine Zielvorgabe, wenn die Entwicklung ohnehin in die Richtung läuft? „Wir wollen den Trend nach außen dokumentieren“, sagt Susanne Wilhelms, stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei. Zudem wolle man deutlich machen, dass E-Medien auch einen Teil des Budgets binden.
Auch Greten bemüht sich, deutlich zu machen, dass die Betreuung elektronischer Medien nicht weniger Arbeit mache als die gedruckter Bücher. Neben Jugendlichen seien nämlich auch Senioren eine beliebte Zielgruppe, wenn es um digitale Medien gehe. Die Gründe dafür leuchten ein: Hörbücher und E-Books sind leichter zu tragen als „schwere Schinken“ und häufig bei der Schriftgröße variabel. Doch viele Ältere hätten Nachholbedarf, wenn es um die praktische Anwendung der elektronischen Medien gehe, erklärt Greten. „Wir sind die einzige Anlaufstelle für Beratungen.“ Senioren, die als Kunden kämen, bräuchten häufiger „technischen Support“. Der Drang Gretens, die Arbeitslast der Mitarbeiter zu rechtfertigen, kommt allerdings nicht von ungefähr: Jüngst hatte die Verwaltung beschlossen, eine frei werdende Stelle in der Bücherei nicht wiederzubesetzen – mit Hinweis auf den Einstellungsstopp der Stadt.
Haben normale Bücher bald ausgedient? Sowohl Senioren als auch junge Leser sollen mit elektronischen Medien in die Stadtbücherei gelockt werden. Das klappt bei den kleinen Lesern aber nur bedingt.