Die Geschichte ist so kurios, wie sie grausam ist: In der Osterstraße hat ein unbekannter Täter mit einem Luftgewehr auf Tauben geschossen. Dabei wurde ein Tier getötet, zwei weitere Vögel erlitten schwere Verletzungen. Das teilte die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont am Dienstag mit. Ereignet hatte sich der Vorfall Anfang Februar.
Vereinsvorsitzende erstattet Anzeige
Die Anzeige erstattet hatte Kerstin Hellmann, Vorsitzende der Stadttaubeninitiative Hameln. Der eingetragene Verein setzt sich seit einigen Jahren für das Wohl der Tiere ein. Hellmann war es auch, die von einem Passanten informiert wurde, als dieser die verletzten Tiere entdeckte. Sie brachte die Vögel zu einer Fachtierärztin nach Hannover. Dort stellte sich heraus, dass der männlichen Taube der Flügel durchschossen wurde. In der Lunge der weiblichen Taube fand die Ärztin ein Diabolo-Geschoss. Bei der Luftgewehrmunition handelt es sich um Bleiprojektile, die wie ein Eierbecher geformt sind.
Gewalt gegen Tiere ist nichts Neues
Heute ist der Zustand von Gina und Gabriel, so der neue Name der Tauben, stabil. „Sie leben noch. Die sind jetzt bei mir und werden wieder hochgepäppelt“, berichtet Hellmann im Gespräch mit der Dewezet. Trotz Operationen werden die Tiere wohl nie wieder fliegen können. Das Geschoss aus Ginas Lunge konnte nicht entfernt werden. Das Tier bekommt nun Medikamente, die eine Bleivergiftung verhindern.
Dass Menschen gewalttätig gegen Tauben werden, komme laut Hellmann immer wieder vor. Etwa 100 verletzte Tiere wurden durch den Verein im letzten Jahr betreut. Viele von ihnen mussten tierärztlich versorgt werden und behalten Schädigungen zurück. Es sei allerdings schwer, einwandfrei nachzuweisen, dass eine Verletzung tatsächlich durch einen Menschen verursacht wurde. Deshalb erstattet Hellmann nur selten Anzeige. In diesem Fall sei das etwas anderes. „Wir finden es ziemlich heftig, dass mitten in der Fußgängerzone jemand mit dem Luftgewehr schießt. Wegen der Tauben sowieso, aber auch wegen der Menschen“, berichtet Hellmann.
Täter begeht eine Straftat
Laut Polizeisprecherin Stephanie Heineking-Kutschera, ist sowohl das Schießen in der Öffentlichkeit, als auch das Verletzen der Tiere strafbar: „Das ist eine Straftat nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes.“ Dieses sieht sogar eine Freiheitsstrafe vor, wenn Wirbeltiere ohne Grund getötet, oder ihnen „aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zugefügt werden. Bestimmte Luftgewehre seien zwar für jede Person ab 18 Jahren frei verkäuflich. Doch das Schießen sei nur auf dem eigenen, befriedeten Grundstück oder einem zugelassenen Schießstand erlaubt. „Da reicht auch kein Maschendrahtzaun“, so die Polizeisprecherin weiter.
Tauben können nichts für ihr schlechtes Image
Das rohe Verhalten gegenüber den Tieren erklärt sich Kerstin Hellmann mit zahlreichen Fehlinformationen, über Stadttauben, denen viele Menschen aufsitzen. „Sie haben kein gutes Image, das ist aber wirklich nicht gerechtfertigt“, erklärt die Tierschützerin. So seien Stadttauben domestizierte Tiere und in der Regel Nachfahren von Haustieren. „Es ist also unsere eigene Schuld, dass sie da draußen sind“. Zu vergleichen sei das mit großen Populationen von Straßenhunden, wie sie in manchen Ländern vorkommen.
Zudem würden die Tiere weder in einem besonders hohen Maße Krankheiten übertragen, noch sei ihr Kot besonders schädlich für Gebäude. Das bestätigt auch der Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen in den „Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation“ aus dem Jahr 2019. Der Beirat berät seit 1991 die Landesregierung in Fragen des Tierschutzes.
Initiative wünscht sich betreute Taubenschläge
Laut Hellmann leben etwa 800 bis 900 Stadttauben in Hameln. Ihrer Meinung nach könnte sich eine verkleinerte, gesunde Population am besten durch ein Konzept mit betreuten Taubenschlägen erreichen lassen. Hätten die Tiere einen Ort, an dem sie ungestört leben und sich ernähren können, würden sie auch weitgehend aus dem Stadtbild verschwinden, „Sie würden 80 bis 90 Prozent der Zeit dort verbringen“, ist sich Hellmann sicher. Auch könnten dort die Eier der Tiere gegen Attrappen ausgetauscht werden, um die Vermehrung einzuschränken.
Stadttauben haben einen sogenannten Brutzwang. Das bedeutet, dass sie, anders als andere Tauben, auch dann Eier ausbrüten, wenn die Umstände ungünstig sind, weil zum Beispiel zu wenig Futter vorhanden ist. Diese Eigenschaft wurde den Vögeln durch den Menschen angezüchtet und begünstigt das große Vorkommen.
Hinweise auf die möglichen Täter sind bei der Stadttaubeninitiative bisher nicht eingegangen, obwohl der Verein 500 Euro Belohnung für die Feststellung des Täters ausgesetzt hat. Die Tierarztrechnungen zahlt Hellmann aus eigener Tasche. Teile davon werden durch Spenden über den Verein refinanziert, doch normalerweise könnten so höchstens die Hälfte der jährlichen Kosten gedeckt werden.