HAMELN-PYRMONT. In Erzieher-Kreisen ist „Marte Meo“ längst eine bekannte Methode, um den eigenen Umgang mit Kindern zu reflektieren. Inzwischen kommt sie aber auch in Pflegeheimen, Psychiatrien oder Personalabteilungen zum Einsatz. Entwickelt wurde Marte Meo von Maria Aarts – sie erzählt, worauf es ankommt.
Wenn am Montag, 9. Mai, wieder alle zur Arbeit gehen, fühlt es sich für viele Erzieherinnen und Erzieher sehr wahrscheinlich anders, besser, an. Dann liegen hinter etlichen von ihnen und anderen Berufsgruppenvertretern intensive Weiterbildungsstunden und das Vergnügen, Maria Aarts live erlebt zu haben. Die 71-jährige Niederländerin ist die Erdenkerin der Methode „Marte Meo“, die vor allem eines will: Das Beste aus Menschen, die miteinander kommunizieren, herausholen. Ein Gespräch mit ihr ist wie eine freundschaftliche Umarmung, ihre Ausstrahlung besonders. Sie wird am Freitag und Samstag in Hameln sein und hat vorher mit der Dewezet über Eltern, Demenzkranke, Kinder und Goldene Geschenke gesprochen, die jeder geben kann.
Video-Aufnahmen sind bei Marte Meo die Grundlage für die Analysen
Ein typischer Ablauf, wenn Marte Meo angewendet wird, sieht folgendermaßen aus: Zwei Menschen, zum Beispiel eine Erzieherin und ein Kind – oder eine Mutter mit ihrem Kind, oder zwei Schüler – interagieren miteinander und filmen das Ganze. Hinterher wird die Aufnahme gemeinsam mit einem Marte-Meo-Experten analysiert, der darauf hinweist, welches aufmerksame Verhalten des einen sich positiv auf das Gegenüber auswirkt. „Wir heben die guten Bilder hervor“, sagt Maria Aarts. Das, was schon gut läuft in der Kommunikation und der Interaktion mit dem Gegenüber, wird genutzt. Statt also einer Mutter zu sagen, dass sie da zu ungeduldig ist oder hier zu schnell gereizt reagiert, wird sie „eingeladen“, ihrem Kind „noch mehr Zeit und Anleitung zu schenken“, weil es das braucht und sie auf die Momente hinzuweisen, in welchen sie sich intuitiv so verhält, dass es dem Kind guttut.
In diesem Zusammenhang spricht sie von „Goldenen Geschenken“, die jeder zu geben habe. Statt jenes Filmmaterial zu analysieren, in denen es kracht, gezickt wird, es nicht rund läuft, picken Maria Aarts und all jene, die sich bereits in Marte Meo haben ausbilden lassen, „die schönen Bilder“ heraus. Weitere Bilder aus dem Film würden benutzt, um noch mehr Möglichkeiten der Entwicklungsunterstützung zu zeigen.
Auch in Arztpraxen und Schulen wird Marte Meo bereits angewandt
Das funktioniert nicht nur in der Eltern/Erzieher-Kind-Beziehung, sondern die Liste, in denen Marte Meo – was so viel heißt wie „aus eigener Kraft“ – eingesetzt wird, ist mittlerweile sehr lang: Psychiatrien, Altenpflege, Jugendämtern, Krankenhäusern, Arztpraxen, Schulen, um nur einige Bereiche zu nennen. Auch die Anzahl der Länder, in die Maria Aarts gereist ist und die von ihr entwickelte Methode an verschiedenen Universitäten, zusammen mit Institutionen und Behörden vorzustellen und einzuführen, ist beeindruckend: 53.
Israel war dabei, besonders intensiv war die Zusammenarbeit mit den skandinavischen Ländern, an denen Marte Meo inzwischen in vielen Bildungsstätten zu den elementaren Inhalten gehört. Das wäre auch ihr Wunsch „für die nächsten 20 Jahre“, dass Marte Meo in die Ausbildung verschiedenster Berufe integriert wird. In einem kleinen Dorf im Süden der Niederlande „habe ich angefangen“, erzählt Maria Aarts. Schon als Kind habe sie Menschen beobachten, wie sie miteinander umgehen. Überrascht ist sie daher von dem Erfolg nicht, „weil es sich Schritt für Schritt“, Stadt für Stadt und unter Einbindung der jeweilig betroffenen Zielgruppen weiterentwickelt hat. Immer verknüpft mit der Frage: „Was machen Menschen richtig, die gut durchs Leben kommen?“
Wichtig war ihr, „etwas für den Alltag“ zu haben, was sie den Menschen an die Hand geben kann. In einem Therapieraum zu filmen, „alle Türen zu“, keiner kann weg – das ist nicht das Umfeld, in dem sich Menschen real begegnen.
Dass Erzieherinnen und Pflegekräfte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil sie „wieder ein Programm“ aufnehmen und lernen sollen, passiert nicht. Im Gegenteil, wie Maria Aarts erzählt. Viele berichteten nach einer Weiterbildung oder den ersten Kontakten mit der Methode, „dass ihr Leben leichter geworden sei mit Marte Meo“. So komme beispielsweise in die Beziehung zwischen Erzieher und Kind viel mehr Ruhe. Bärbel Diekgerdes-Arke aus Hessisch Oldendorf, die Maria Aarts seit Jahren kennt, längst selbst Marte-Meo-Expertin ist (Supervisor), beschreibt es so: „Durch die sich positiv entwickelnden Interaktionsmomente im Alltag sichert man Qualität im Zusammensein auf allen Ebenen.“ Und mit den sogenannten Learning-Sets, die auf Maria Aarts’ Webseite bereitgestellt werden, können Fach- wie Privatleute angeleitet werden.
Maria Aarts kommt zum Fachtag des Verbands der evangelisch-lutherischen Kindertagesstätten im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont
Diekgerdes-Arke bildet selbst aus und hat Maria Aarts nach Hameln eingeladen, damit die 75 Teilnehmenden der Fortbildung „Masterclass“ am Samstag, 7. Mai, von ihrer Expertise profitieren können. „Ich habe am liebsten, wenn Menschen erfahren, welchen Unterschied sie machen“, sagt Maria Aarts über das, was die Masterclass erwartet. Die Teilnehmenden können ihre eigenen Videos mitbringen und mit Maria Aarts, die sich dann als Supervisorin versteht, besprechen. Am Tag zuvor, Freitag, 6. Mai, sind es ausschließlich Kita-Mitarbeitende, die sich im Rahmen eines Fachtags vom Verband der evangelisch-lutherischen Kindertagesstätten im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont neues Marte-Meo-Wissen aneignen können. Der Verband lässt im fünften Jahr sein pädagogisches Personal aus 19 Kindertagesstätten zu „Marte-Meo-Practitionern“ ausbilden.
Marte Meo mit Jugendlichen
Wie kann das gehen, Teenagern, die andere Sorgen haben, als achtsam zu kommunizieren, mit Marte Meo zu begegnen? Das geht, sagt Maria Aarts, und schildert es an einem Beispiel, das nachahmenswert klingt: Im Zusammenhang mit der Arbeit mit Jugendlichen an Schulen empfiehlt Maria Aarts Kommunikationstraining und das Stärken deren Kooperationsfähigkeit. Sie habe Jugendlichen vor entsprechenden Trainings zugehört und festgestellt, welch ruppiger Umgangston („sie benutzen viele Streittöne“) zwischen ihnen herrsche. Die Aufgabe für sie lautete: „Wenn man sieht, dass der andere etwas Gutes tut, sag ihm das!“ Zwei Freiwillige hätten sich gefunden und sich auch mit der Kamera begleiten lassen. Ihre Feststellung: „Wie gut das tut!“ Wie gut es ist, auf Positives hingewiesen zu werden, das man selbst getan oder gesagt hat. Von der Erfahrung der beiden Freiwilligen hätten dann auch die anderen profitiert und die kleine Übung in ihrem Umgang mit Menschen ebenfalls angewendet – einfach mal spiegeln, was jemand anderes gut macht. Das stärkt das Selbstwertgefühl und führt dazu, sich häufiger so zu verhalten.
Erzieherinnen berichten mir, dass ihr Leben mit Marte Meo leichter geworden ist.
Maria Aarts
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