HAMELN. Hamelns damaliger Oberbürgermeister Klaus Arnecke nannte ihn einen „Kämpfer für die Region“. Er holte die Politikprominenz nach Hameln. Am heutigen Donnerstag wird der langjährige Chefredakteur der Dewezet Dr. Hermann A. Griesser 80 Jahre alt.
„Weserbergland“, wie er fast ein bisschen entschuldigend – vielleicht auch nur satirisch verbrämt – bei seiner ersten Redaktionskonferenz Anfang 1986 formulierte: eine Art euphemistische Übertreibung. Zumindest für ihn als Tiroler. Sein zweiter Satz: es sei ihm egal wann sie stattfindet – nur eines sei nicht zu verhandeln: sie findet statt. Und zwar täglich. Die Redaktionskonferenz für alle Ressorts. Weil er wissen wollte, was am nächsten Tag im Blatt stünde, was er letztlich zu verantworten habe. Ein Chefredakteur, der genau wusste, was er wollte. Dr. Hermann A. Griesser, der jetzt seinen 80. Geburtstag feiert.
Mit ihm begann eine neue Ära. Zweifelsohne: Griesser polarisierte. Oft gewollt – manchmal auch ungewollt. Seine Leitartikel waren nie „sowohl-als-auch“ – formulierten jeweils eine klare Meinung, die immer wieder auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert wurde. Kein Selbstläufer und für eine Heimatzeitung eine nicht übliche Anerkennung. Dennoch: der neue Stil kam nicht bei allen gut an. Was nicht hieß, dass Griesser nicht auch andere Meinungen gelten ließ. Im Gegenteil warb er immer dafür, dass seine Redakteure ihre Ansichten äußern sollten. Kommentare waren ihm immer wichtig.
Was ihn auszeichnete: er hat, weil er viel von sich verlangte – er war morgens immer einer der ersten und abends einer der letzten in der Redaktion, selbst im Urlaub oder auf „Dienstreisen“ ließ er sich über den Stand der Nachrichten informieren. Sein Ziel: der 24-Stunden-Redakteur, der seine Abende und Nächte lauschend an den Theken verbringt und dort frei nach Luther – als Tiroler ist er natürlich Katholik – dem „Volk aufs Maul schaut“. Und überzeugt war, dass die wichtigsten Themen die der Stammtische sind, die dann redaktionell sozusagen auszubeuten waren.
Kaum eine Woche, dass nicht ein Hochkaräter aus Politik und Entertainment zu Besuch in der Redaktionskonferenz gewesen wäre. Ob Schröder oder Gabriel als Ministerpräsidenten, auch Wulff oder der Europaabgeordnete Otto von Habsburg oder die Grünen-Ikone Trittin – dazu Medien-Stars wie Reinhold Messner oder Hape Kerkeling mit zusätzlichen Telefonaktionen – Griesser hat immer dafür gesorgt, dass die Leser seiner Dewezet aus erster Hand informiert wurden.
Beliebt seine Serie „Meine Woche“, die jeweils am Sonnabend im Blatt stand. Vor allem Lokalpolitik als Wochenrückblick, Begegnungen, Erlebnisse, Personenbeschreibung.
Nach sechzehn Jahren als Chefredakteur der „Dewezet“, sagte Verleger Günther Niemeyer bei der Abschiedsfeier im Weserbergland-Zentrum: „Ein Mann mit klaren Vorstellungen, Überzeugungen und Prinzipientreue“– nannte ihn einen „Journalisten mit Leib und Seele“. Hameln damaliger Oberbürgermeister Klaus Arnecke bescheinigte ihm: „Sie haben in Hameln auch etwas bewegt“ und nannte ihn einen „Kämpfer für die Region“. Nach seinem Abschied als Chefredakteur, hat er sich nach Wien an den Rand des Wienerwaldes zurückgezogen, dort. Jetzt ist er 80. Ein Journalist und Schriftsteller, der immer eine eigene Meinung hatte, ein Profi – unbequem, aber auch ein Chef, wie man ihn sich wünschen kann.
Es war – wenn auch nicht für alle, natürlich nicht – eine schöne, aufregende Zeit. Eines seiner Lieblingszitate: „A.E.I.O.U“ ein Kürzel, das auf allen offiziösen Habsburg-Bauten zu finden ist und für „Austria est in orbe ultimo“ steht. Was so viel heißt, wie „Österreich ist das Letzte“ – auch das, was übrig bleiben wird. Bei Dr. Griesser – eine schöne Erinnerung.