Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein war es Frauen nicht gestattet, in der Öffentlichkeit Cello zu spielen. Die Haltung des Instruments zwischen den Beinen wurde gesellschaftlich als zu obszön empfunden; der im Gegensatz zur Geige tiefe, kräftige Klang entsprach nicht dem vorherrschenden damaligen Bild des schwachen, zarten Geschlechts.
Diese Einstellung ist seit 200 Jahren überholt; es hätten am Dienstag also durchaus Damen auf der Bühne sitzen können. Dass das Sextett ausschließlich aus Männern besteht, ist der Tatsache geschuldet, dass die Musiker seit ihrer Studienzeit befreundet sind. Jeder von ihnen hat mittlerweile eine Professorenstelle an einer Musikhochschule inne. Und von Zeit zu Zeit trifft man sich ja mit alten Freunden, zum gemeinsamen Bier, zum Erzählen alter Geschichten oder eben, um gemeinsam auf einer Bühne das zu tun, was man am besten kann und am liebsten mag: Cello spielen.
Den Anfang machen sieben kurze Stücke des spanischen Komponisten Manuel de Falla, dessen Gitarrenwerke wohl am bekanntesten sind.
Der Applaus hält sich noch in Grenzen, zu ungewohnt klingt das Zusammenspiel der Instrumente. Danach begrüßt Nikolaus Trieb das Publikum und erklärt: „Viele Konzerte haben ja einen konzeptionellen Hintergrund. Heute ist es relativ einfach: Wir spielen das, was uns Spaß macht.“
Das sieht und hört man. Einmal quer durch den Garten geht das vergnügliche Konzert: Bei der berühmten Ouvertüre aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ sind nur vier Celli im Einsatz; Wen-Sinn spielt das galoppierend schnelle Geigenthema, die Bogen seiner Mitstreiter schlagen rhythmisch auf die Saiten. Es folgt ein melancholisches Intermezzo im Sechs-viertel-Takt aus der „Cavalleria Rusticana“ und die legendäre „Carmen-Suite“. Bohórquez spielt dazu schmunzelnd einen Schellenring und eine Triangel; so ganz will man doch nicht auf perkussive Verstärkung verzichten.
Das Flamenco-Thema wirkt etwas unentschlossen, aber das Quodlibet aus den einzelnen Melodiethemen wird dafür umso triumphaler. Die Komplexität des Stückes von Georges Bizet hat es in sich – es ist womöglich das einzige Lied des Abends, bei dem die Streicher mit ihrer Adaption an ihre akustischen Grenzen kommen. Der Beifall ist jetzt deutlich lauter, die Stücke sind bekannt, und die Zuhörenden haben sich erstaunlich schnell an den unvertrauten Klang gewöhnt.
Nach drei kurzen, salonmusikartigen Stücken des deutschen Komponisten Victor Herbert gibt es einen weiteren Klassiker: „Alla Turca“ bekommt einen ganz neuen, spannenden Charakter. Sie klingen jetzt fast wie eine Bigband, und alle sechs müssen sich das Lachen über ihr eigenes bizarres Arrangement verkneifen.
Nach der Pause spielen sie Prokofjews „Tanz der Ritter“, im Anschluss eine Variation von Niccoló Paganini - „weil wir es können“, moderiert Nikolaus Trieb launig und zutreffend. Schön, welch schwindelnde Höhen die Celli von Jens Peter Maintz und Wen-Sinn Yang erklimmen – sind da wirklich keine Violinen auf der Bühne?
Was folgt, ist ein wahrer Triumphzug: Penderecki, Mackebens „Nur nicht aus Liebe weinen“, ein hinreißendes James-Bond-Medley, das unglaubliche Thema aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ des legendären italienischen Filmkomponisten Ennio Morricone und „Der Schwan“, ein zauberhaftes Werk aus der Feder von Camille Saint-Saëns reißen das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hin. Als Abschluss, kurz, bevor sich aller Ohren wegen Überforderung schließen, gibt es noch einen Walzer von Werner Thomas-Mifune, ebenfalls einem deutschen Komponisten.
Jetzt spürt es jeder: Hier sind heute sechs Virtuosen tätig, die fernab jeglichen Konkurrenzdrucks einfach gerne hin und wieder ein gemeinsames Konzert geben. Und das hört sich ungemein gut an.