SALZHEMMENDORF/SPRINGE. Es gibt ihn nur ein Mal, den genetischen Zwilling. Christina Götting hat ihren gefunden, auch wenn sie nicht weiß, wie ihr Gen-Doppelgänger heißt oder wo er herkommt. Fest steht: Mit ihrer Stammzellenspende konnte die Leiterin der St. Nikolai Kindertagesstätte in Oldendorf einem fremden Menschen das Leben retten.
„Das ist ein reines Gefühlschaos“, berichtet die 25-Jährige. Nach ihrer Spende will sie jetzt andere Menschen dazu motivieren, sich typisieren zu lassen und mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gehen.
Seit sechs Jahren ist die Boitzumerin bei der Deutschen Stammzellenspenderdatei (DSD) registriert. Ende Mai erhielt die Erzieherin eine Mail: Sie komme als Spenderin infrage. Nur einer von 1000 potenziellen Spendern wird tatsächlich um diese Hilfe gebeten. 120 000 Menschen sind in Deutschland bei der DSD registriert.
Dann ging alles ganz schnell. „Ich musste zu meinem Hausarzt zu einer Bestätigungstypisierung“, berichtet die Springerin. Am 13. Juni ging es zur Vorsorgeuntersuchung in die Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Dann stand der Spendetermin auch schon fest: der 4. Juli. „Was viele nicht wissen: Es ist häufig gar keine Operation notwendig. Es wird lediglich Blut abgenommen.“ Und: Die Vorsorgeuntersuchung sei am Ende sogar schlimmer gewesen als die Spende selbst. Lediglich mit Muskelkater im Arm hätte sie anschließend zu kämpfen gehabt: wegen der Spende selbst. „Ich bin eigentlich nicht die typische Blutspenderin, weil ich schon zwei Mal umgekippt bin. Bei der Spende aber nicht.“ Sie hätte jederzeit von der Aktion zurücktreten können. „Da habe ich gar nicht dran gedacht, sonst hätte ich mich auch nicht typisieren lassen.“ Wie ernst es wirklich ist, darauf hat sie die DSD mehrfach hingewiesen. In dem Schreiben der Organisation hieß es, dass der Patient zehn Tage vor der Spende eine Strahlentherapie machen müsse. Ohne anschließende Spende könnte er sterben. Viereinhalb Stunden dauerte Göttings Blutspende in der Medizinischen Hochschule. Das dauert so lange, weil die Stammzellen dabei herausgefiltert werden und das Blut anschließend wieder dem Körper zurückgegeben wird. „Klar, hat man am Anfang auch Angst und es herrscht das reine Gefühlschaos“, sagt sie. Gleichzeitig habe sie sich bei dem Team der DSD gut aufgehoben gefühlt. „Der Service und die Rundumbetreuung waren wirklich unglaublich.“ Auch in der MHH wurden ihr alle Geräte erklärt und gezeigt, wo sie bei der Spende liegen wird. „Ich hatte nie das Gefühl, nur Mittel zum Zweck zu sein.“ Sie möchte den fremden Menschen gerne kennenlernen und wissen, wie es ihm geht. Sie hat ihm einen Brief geschrieben. „Meine Stammzellen sind nach Frankreich gekommen, mehr weiß ich noch nicht.“ Ein Dankesschreiben des Patienten habe sie schon bekommen.
Von ihrer Familie und Freunden hat sie viele positive Rückmeldungen bekommen. „Ich kann genauso gut verstehen, wenn man keine Blutspende machen kann.“ Trotzdem hofft sie, dass sich mehr Menschen für eine Typisierung entschieden. „Heute ist das mit einer Speichelprobe mit Stäbchen schnell und einfach erledigt.“ Es sei ein unbeschreibliches Gefühl, einem Menschen helfen zu können. „Die Gesundheit ist das höchste Gut, jeder hat ein Recht darauf, zu leben.“
Jetzt ist die 25-Jährige im „DSD-Club 16“, einer Gruppe Spendenwilliger und Spender, die für Typisierung werben. „Ich kann mir vorstellen, auch in Springe eine Typsierungs-Aktion zu organisieren.“
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