WALLENSEN. Das fängt ja gut an: Alles ist bereit für die erste Dewezet-Käfertour– nur der Käfer nicht. Zumindest mag er weder Fotografin noch Reporter an Bord lassen, um nach Wallensen zu fahren. Das Türschloss ist so verklemmt, dass nichts mehr geht. Also fahren wir im normalen Dewezet-Auto zur ehemaligen Arztpraxis ...
Erst im vergangenen Monat hat die Robert-Bosch-Stiftung eine Studie zur ärztlichen Versorgung in Deutschland veröffentlicht. Der Landkreis Hameln-Pyrmont ist dort in einer Deutschlandkarte dunkelblau eingefärbt. Dunkelblau heißt: mit Hausärzten unterversorgt. In Wallensen braucht niemand eine solche Studie – das Problem ist sichtbar: Die Arztpraxis im Dorfzentrum ist geschlossen. Ein Nachfolger für den 2019 verstorbenen Arzt Wulf Osterwald wurde bisher nicht gefunden. „Das war eine Praxis nicht nur für unseren Ort, die war gut frequentiert“, sagt Ortsbürgermeister Karl-Heinz Grießner (SPD).
Nun stehen die Praxisräume leer – und nicht nur die. „Man sieht ja, was fehlt: keine Wirtschaft, kein Arzt, keine Einkaufsmöglichkeit, keine Bank“, sagt Einwohnerin Ilona Reger und deutet in die Runde: Der Ratskeller auf der anderen Straßenseite ist seit Jahren geschlossen. Sparkasse und Volksbank – letztere früher genau dort, wo wir das Dewezet-Auto geparkt haben – gibt es nicht mehr, einen Lebensmittelladen auch nicht. Bäcker und Schlachter aber sind geblieben. „Ein großes Plus“, sagt Reger.
Der fehlende Arzt im Ort aber, der stehe in Wallensen bei den Problemen oder Wünschen „an oberster Stelle“, sagt Ilona Reger. Sie fährt ehrenamtlich selbst den Salzhemmendorfer Bürgerbus. Die 72 verkehrt zwischen Thüste und Wallensen und hält natürlich auch in Wallensen. Man würde das Angebot gerne noch ausweiten, sagt der Vorsitzende des Bürgerbusvereins, das SPD-Kreistagsmitglied Manfred Roth aus Thüste. Früher brachte der Bürgerbus Menschen zum Arztbesuch nach Wallensen, nun Wallenser zum Arzt etwa nach Salzhemmendorf. Andere fahren in Praxen jenseits der Landkreisgrenze in Duingen. „Aber Kreisgrenze ist wie ehemalige Zonengrenze“, findet Grießner, zumindest was die Busverbindungen angehe. Dennoch: Wallensen habe viel zu bieten, betonen sie alle: Kindergarten, Sportanlagen, Saalepark zum Beispiel.
Neben dem Wallenser ist auch der Salzhemmendorfer Bürgermeister zum Dewezet-Ortstermin gekommen, schließlich lebt Clemens Pommerening selbst in Wallensen. Die Gemeinde hat nun das ehemalige Volksbank-Gebäude direkt neben der Arztpraxis gekauft. Für 75 000 Euro plus gut 9400 Euro Nebenkosten. Wenn sich nun ein Arzt niederlassen wollte, hätte er die Wahl zwischen den ehemaligen Praxisräumen in Privathand und der ehemaligen Bank, die nun der Gemeinde gehört. „Wir haben uns das Haus gesichert, so haben wir dann für kommende Gespräche zumindest ein Angebot“, sagt Pommerening. Auch von der Idee eines medizinischen Versorgungszentrums – wo dann etwa ein Allgemeinmediziner und ein Facharzt arbeiten könnten – war bereits die Rede. Zu Gesprächen mit Interessenten immerhin kam es inzwischen, auch zu einer Führung durch das Gebäude. Gespräche und Mund-zu-Mund-Propaganda versprechen in den Augen des Bürgermeisters nun mehr Erfolg als Anzeigen in Ärzte-Zeitung und Ärzteblatt. Daraus hatte sich nichts ergeben.
Dass es aber auch noch andere Themen im Dorf gibt, machte der Besuch von Dachdeckermeister Walter Hölscher deutlich. Er wollte in Wallensen eine neue Halle bauen, bekam jedoch keine Genehmigung vom Landkreis. Am Ende wanderte er über die Kreisgrenze nach Duingen ab. „Wenn es um so einen Kleinkram geht, dann seid ihr da“, geht er die versammelten Lokalpolitiker an und meint die Arztpraxis. Bei seiner Firma und ihren 20 Arbeitsplätzen fehlte ihm die Unterstützung. Pommerening, Roth und Grießner widersprechen. Sie hätten getan, was sie konnten.
Für eine Stippvisite schaut auch CDU-Bundestagskandidatin Mareike Lotte Wulf vorbei. Sie ist mit ihrem Oldtimer-Bulli auf Wahlkampf-Tour. Aus einem kleinen VW-Oldietreffen an der Dorfstraße wird jedoch nichts. Der Dewezet-Käfer hatte offenbar andere Pläne.
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