Und dann stehen die sechs Bandmitglieder plötzlich auf der Bühne, wirken etwas hilflos, sortieren sich, suchen ihre Plätze und legen los: Daisy Town in der Kulturmühle Buchhagen.
BUCHHAGEN. Die instrumentale Titelmusik einer vergessenen amerikanischen Detektivserie dient als Opener, und gleich zu Anfang wird optisch und akustisch klar, worum es gehen wird heute Abend: Um die Volksmusik des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten: Country. Und ein bisschen Western.
Die fünf Herren des Sextetts tragen Cowboyhüte – das muss wohl so sein bei einer Band, die erst im Dezember von der deutschen Popstiftung mit dem Preis in der Kategorie „Beste Country Band“ ausgezeichnet wurde – es wäre ja verwirrend, wenn die Musiker eines solchermaßen stilistisch festgelegten Ensembles in schwarzen Anzügen aufträten. Von Maria Hellwig würde auch niemand erwarten, sie statt im Dirndl im kleinen Schwarzen zu sehen. Trotz dieser optischen Klischees klingen die Rintelner mehr nach Mainstream-Pop der 80er Jahre als nach verstaubter Drei-Akkord-Folklore.
Sie spielen „Something like that“ von Tim McGraw, hinreißend interpretiert von Sänger und Bassist Markus Lehmann, und es wird deutlich, dass sie genau hingehört haben bei vielen Größen der aktuellen Country-Szene. Es gibt intelligente Riffs, unerwartete Taktverschiebungen, ironische Blues- und Rockeinsprengsel, sie klingen schmutziger als ihre Outfits aussehen, und die selbstbewusste Ankündigung, man bewege sich im Genre „Modern Country“ trifft oft zu. Oft, aber nicht immer: Auch tausendmal gehörte Humba humba-Nummern sind dabei, auch die werden von den Gästen in der Kulturmühle lautstark beklatscht.
„Beer never broke my heart“, ein Song des in Amerika sehr erfolgreichen Luke Combs, sei das Paradebeispiel für „Modern Country“, sagt Lehmann, und bestätigt mit dem Lied gleichzeitig die alte These „Never change a winning team.“
Country wird immer ein bisschen John Denver, Dolly Parton, Johnny Cash und „Ein Colt für alle Fälle“ bleiben
In dem Lied nölt Combs darüber, dass seine jeanstragende Liebste aus Kalifornien ihn verlassen hat, und er bräuchte jetzt erst mal ein kühles Bier – Country ist Country ist Country, trotz mancher Versuche, etwa von Garth Brooks oder den Dixie Chicks, dem angegrauten Genre einen moderneren Touch zu verpassen. Country wird immer ein bisschen John Denver, Dolly Parton, Johnny Cash und „Ein Colt für alle Fälle“ bleiben.
Nach einem Song der legendären Band Alabama spielen sie ein erstes eigenes Lied von ihrer CD: Ihr „Going nowhere“ steht den Coverversionen in nichts nach, Sängerin Silvia Eyres bekommt Unterstützung durch perfekten Harmoniegesang aus drei Männerkehlen, und endlich ist auch die anfangs etwas angestrengt wirkende Frontfrau aufgetaut: Jetzt klingt sie auch nicht mehr so, als sei der Kragen zu eng. Es sei ihr erster Auftritt seit langer Zeit, erzählen die Musiker, und sie haben endlich eine CD produziert. Und dann der durchaus karrierefördernde Preis, klar, dass man da ein wenig nervös sei bei Liveauftritten. Das müssen sie nicht; Tobias Carmine hinter einer Burg aus Keyboards und Zupfinstrumenten, Daniel Ellermann am Schlagzeug und Norman Inoue mit stilsicherem Gitarrensound geben den beiden Leadsängern einen sicheren Rückhalt.
Demnächst steht ein Konzert von Daisy Town in Berlin an
Weitere Konzerte sind in trockenen Tüchern. Nächste Woche etwa ginge es nach Berlin, in einen reinen Countryladen, erzählt die Band. Da würden dann durchaus Vergleiche mit anderen, berühmteren Countrybands gezogen. Dementsprechend sei die Herausforderung größer als heute Abend in der Kulturmühle, wo das Publikum wahrscheinlich auch geklatscht hätte, wenn sie „Hello Again“ gespielt hätten.
Überhaupt, die Inhalte: In den meisten Countrysongs ginge es ja um Trucks, um Pferde und ums verlassen werden, behauptet Sängerin Eyres. Heute geht es tatsächlich auch um Flüsse, um die endlose Prärie, um Highways, um Freiheit, um Miniröcke und um „Daddy hat’s dir immer gesagt, du dummes Gör, und jetzt hol‘ mir ’n Bier.“ Den rund 60 Countryfans in der Mühle ist es herzlich egal, ob Laster oder der Klepper den Cowboy verlässt. Sie lassen sich ein auf den Gute-Laune-Country – wäre man jetzt in Texas und nicht im Weserbergland, würden wohl Hüte in die Luft fliegen – oder Pferde. Viel Applaus für eine runde Sache.
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