BAD PYRMONT. Eltern der jüngsten Fahrschüler aus den Pyrmonter Bergdörfern sind gerade richtig sauer. Am Dienstagmittag hat ein Busfahrer an der Marktplatz-Haltestelle fast zwei Dutzend Kinder stehengelassen. Ein Gutteil davon Fünftklässler, die erst seit wenigen Tagen zwischen ihren Dörfern und dem Schulort pendeln.
Mutmaßliche Ursache der rigiden Aktion: Die einsteigenden Jungen und Mädchen sollen zu sehr gedrängelt haben. Ein reichlich ungeschickter Disziplinierungsversuch also. „Ich habe überhaupt kein Verständnis für dieses Vorgehen“, sagt die Mutter eines Fünftklässlers aus Neersen.
„Kinder die es schon in den Bus geschafft hatten, nahmen an, der Bus würde eine Runde fahren und die Anderen dann einsammeln“, schildert sie. Doch, weit gefehlt: „Der Busfahrer fuhr davon und ließ etwa 15 gerade eingeschulte Fünftklässler und auch einige ältere Schüler an der Bushaltestelle stehen.“ Dass die Aktion kein Scherz war, erfuhren die Wartenden per Handy von einigen der insgesamt nur neun Kinder im Bus. Der nächste Bus in ihre Richtung fuhr laut Fahrplan zwei Stunden später, um 15.36 Uhr.
„Die Kinder standen dann erst einmal völlig verängstigt an der Haltestelle“, berichtet die Mutter. „Schließlich sollte das erst ihre dritte Busfahrt nach Hause werden.“ Vorher hatten die Nun- bis Zehnjährigen die nahe Grundschule Baarsen besucht. Lange Busfahrten sind sie also nicht gewöhnt. Glücklicherweise seien ein paar Eltern zu Hause gewesen. Die hätten dann auch die Kinder der Berufstätigen in ihre Autos geladen und nach Hause gebracht.
Der Schilderung der Mutter nach hat das Verhalten des Busfahrers den Kindern nächtig zugesetzt: „Einige kamen weinend nach Hause“, erzählt sie. „Mein Sohn sagte weinend, er wolle nie wieder Bus fahren.“ Das wird allerdings schwierig. Denn die Fahrschüler sind auf den Schulbus angewiesen.
Träger der Schülerbeförderung ist der Landkreis Hameln-Pyrmont. Allerdings wird der nur an Schultagen fahrende Zusatzbus der Linie 521 von der Regionalbus Braunschweig GmbH bedient. Die Bahn-Tochter wiederum hat die Tour an ein privates Subunternehmen aus dem Kreis Holzminden vergeben.
Auf PN-Anfrage steigt Kreis-Pressesprecherin Sandra Lummitsch in die Recherche ein. Da sie am Mittwoch keinen RBB-Verantwortlichen an die Strippe kriegt, kommentiert sie das von der Mutter geschilderte Vorkommnis mit Blick auf den Beförderungsanspruch der Kinder erst einmal nur mit: „Das geht so nicht.“
Am Telefon mit den Schilderungen der Eltern konfrontiert, erklärt der Subunternehmer, der seinen Namen nicht genannt wissen will: „Der Fahrer hat meine volle Rückendeckung.“ Auf dem Pyrmonter Marktplatz gebe es regelmäßig Stress mit drängelnden Kindern. „Manche schieben sich schon in den Türspalt, wenn die Tür noch gar nicht richtig offen ist.“ Oder sie hauten ihre Ranzen achtlos gegen den Bus. Die Folge: Macken im Lack. Außerdem habe sein Fahrer berichtet, am Dienstag sei ein Junge gestürzt und fast unter die Einstiegsstufen gerutscht. Weil die Kinder trotz mehrmaliger Ermahnungen weiter gedrängelt hätten, „musste er durchgreifen.“ Wenn Sicherheit und Ordnung nicht mehr gewährleistet seien, könnten die Fahrer von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Er habe aber bereits einen Kontakt zum Schulzentrum veranlasst, um zu klären, ob am Marktplatz nicht ein Lehrer Aufsicht machen könne. „Oder sie müssen Bus-Scouts einführen.“
Mittwochmittag, 13.30 Uhr: Die Kinder vom Berge warten wieder auf den Bus. An einen gestürzten Jungen am Dienstag erinnern sie sich nicht. Einer der am Vortag Stehengelassenen findet: „Die Aktion gestern war echt nicht gut.“ Wer nicht 25 Kilometer im Stehen fahren wolle, müsse drängeln. Nachhaltige Wirkung zeigt der Erziehungsversuch des Busfahrers somit nicht: Als die Linie 521 mit Fahrtziel Lichtenhagen hält, bildet sich sofort eine Menschentraube vor dem Bus. Einige Große nutzen das recht des Stärkeren. Die Kleinen drängeln allerdings nicht groß. Sie stehen wieder hinten. Die Busfahrerin wirkt angespannt und auch nicht gerade guter Dinge. Dass die meisten Kleinen wieder stehen müssen, macht ihnen heute nicht so viel aus. Immerhin haben sie es in den Bus geschafft.
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