Für Familien sind sowohl der Mangel an Betreuungsplätzen als auch die ständigen Gruppenschließungen ein großes Desaster.
Nicht selten erfahren Eltern erst am frühen Morgen, dass sie ihr Kind schon mittags abholen müssen oder gar nicht erst zur Kita bringen können. Wer unter solchen Bedingungen berufstätig ist, braucht viel Improvisationstalent und einen verständnisvollen Arbeitgeber. Wenn gar nicht erst ein Kita-Platz zur Verfügung steht, muss manchmal ein Elternteil den Job an den Nagel hängen – selbst wenn das Haushaltseinkommen dann nicht ausreicht.
Auch für die Kinder ist die Situation schwierig. Wie erklärt man einem Dreijährigen, dass er fortan zu Hause bleiben muss, weil der Übergang von der Krippe in die Ü3-Gruppe nicht möglich ist? Im schlechtesten Fall hat so ein Kind bei der Einschulung schlechtere Startbedingungen als seine Altersgenossen, weil ihm frühkindliche Bildung vorenthalten wurde. Dabei besteht für jedes Kind ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.
Dass dieser Rechtsanspruch in nicht wenigen Fällen reine Theorie bleibt, ist ein echtes Armutszeugnis. Daran ändern auch die genannten Begründungen nichts. Denn Kita-Kinder fallen nicht vom Himmel, sondern werden ein bis drei Jahre vorher erstmal geboren. Neubaugebiete voller Familien sprießen nicht plötzlich aus dem Boden, sondern werden jahrelang geplant. Dass die eigentlich sinnvolle Abschaffung der Elternbeiträge im Ü3-Bereich zu einer höheren Nachfrage bei Plätzen führen würde, war naheliegend. Maßnahmen, um die Erzieher-Ausbildung attraktiver zu gestalten – wie die Einführung einer Ausbildungsvergütung – werden seit Jahren verschleppt. Einzig der Ukraine-Krieg war nicht vorhersehbar.
Doch wäre das Kita-System nicht so arg auf Kante genäht worden, ließe sich die Aufnahme der geflüchteten Kinder leichter bewerkstelligen. Es wäre unfair, den Sachbearbeitern, die sich jetzt mit der Mangelverwaltung quälen müssen, die Schuld zuzuschieben. Vielmehr liegt hier politisches Versagen auf unterschiedlichen Ebenen vor. Es ist fast erstaunlich, dass Eltern nicht auf die Barrikaden gehen und viel vehementer ihren Rechtsanspruch einfordern. Vielleicht sind sie dafür einfach zu erschöpft.
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