Hameln bekommt eine weitere Integrierte Gesamtschule. Eine gute Nachricht? Ja. Und doch nur ein: Ja, aber ...
Tatsächlich sind die realistischen Wahlmöglichkeiten für Schüler, Schülerinnen und ihre Eltern in den letzten Jahren zusammengeschmolzen – zumindest für jedes Kind, das nicht auf einem der drei Hamelner Gymnasien landen kann oder möchte. Zur Auswahl standen ihnen zuletzt: Zwei Oberschulen, wovon die eine – an der Pestalozzischule – jedoch zunächst verlegt, dann ganz geschlossen werden sollte. Dann gäbe es auch noch die eine verbliebene Realschule, doch sie soll ja schon bald zur IGS werden. Und natürlich die noch junge Gesamtschule im modernen Schulzentrum Nord, die – wohl auch angesichts der Alternativen – so beliebt ist, dass sie längst Schüler abweisen muss. Wer ein Hamelner Gymnasium verlassen will oder muss, hat kaum eine Chance, dort noch unterzukommen. Es blieben also unterm Strich: eine Oberschule, eine weitere Ober- und eine Realschule, deren Ende bereits besiegelt schien, und eine überlaufende IGS.
So gesehen war das in dieser Woche ein doppelter Schritt nach vorn: Die zweite IGS im Hamelner Westen kann nach der Genehmigung vom Land schon im Sommer starten. Und der Oberschulzweig der Pestalozzischule bleibt erhalten: Die vom Rat beschlossene Schließung hat das Regionale Landesamt für Schule und Bildung jetzt kassiert. Also ist im Sommer eine neue zweite IGS und weiterhin eine zweite Oberschule im Angebot. Die Ära der Hamelner Realschulen hingegen endet.
Die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und Linken hat mit der zweiten IGS erfolgreich Fakten geschaffen. Ein schaler Beigeschmack bleibt: Statt im breiten Konsens wurde die Entscheidung gleich zum Start der Ratsperiode mit knapper Mehrheit durchgedrückt. Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern blieben nur Zaungäste.
Dabei lag eine Einigung nah: „Ein Schwerpunkt der nächsten Legislaturperiode wird die Realisierung der IGS in der Südstadt sein“, hatten sich die Hamelner Grünen zur Kommunalwahl 2021 ins Wahlprogramm geschrieben – und stimmten dann doch als kleiner Partner der SPD für die ganz schnelle – vielleicht zu schnelle – Lösung im Westen. Dabei hätte eine IGS Süd sogar die traditionell eher gesamtschulskeptische CDU „wünschenswert“ gefunden, sagt deren Hamelner Fraktionsvorsitzende. Nun wird also im Westen eine neue Schule eingerichtet und doch soll im Süden aufgrund des unbestrittenen Bedarfs zuerst gebaut werden – irgendwie.
Doch das Hadern darüber, wie die politische Entscheidung zustande gekommen ist, tritt wohl bald in den Hintergrund. An der Theodor-Heuss-Realschule werden offenbar die Ärmel hochgekrempelt, eine gute Schule will man sein – unabhängig von der Schulform. Gut so.
Die Gesamtschulen werden damit auch in Hameln endgültig zur gängigen Alternative zum Gymnasium. Sich nun die einst so vertraute Gliederung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium zurückzuwünschen, bringt niemandem etwas. Die Hauptschule ist bereits aus der Stadt verschwunden, die Realschule wird ihr folgen, und auch an den Gymnasien wird die Entwicklung wohl nicht vorbeigehen. Denn wie viele Oberstufen verträgt Hameln auf lange Sicht? Eine oder sogar irgendwann zwei Gesamtschulen mit Oberstufen, drei berufsbildende Schulen und dazu drei Gymnasien – ist das realistisch? Hinter vorgehaltener Hand fragt das bereits so mancher. Zu Recht: Denn Anspruch Integrierter Gesamtschulen ist es nun mal nicht, lediglich eine bessere Oberschule zu sein, sondern Schüler aller Leistungsstufen aufzunehmen – auch die Abi-Kandidaten. Die Stadtpolitik wird wohl dennoch weiterhin Stein und Bein auf den Erhalt aller drei Gymnasien schwören. Es bleibt abzuwarten, wie lange noch.
Die größten Probleme sind den verschiedenen Schulformen – in leicht unterschiedlichen Ausprägungen – aber ohnehin gemein. Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen ist so schlecht wie seit 20 Jahren nicht, wurde dieser Tage gemeldet. Dabei dürfte der genannte Durchschnittswert von 96,3 Prozent manchen Eltern nur ein müdes Lächeln abringen. Spätestens, wenn eine Erkältungswelle zuschlägt, klaffen natürlich schnell mal viel größere Löcher im Stundenplan. Sogar die Corona-Notlösung Homeschooling feierte in den vergangenen Monaten hier und da ein Comeback. Den Bildungssektor quält der Fachkräftemangel. Auch im Werben um neue Lehrerinnen und Lehrer müssen sich die Hamelner Schulen nun herausputzen. Nicht nur an der neuen Gesamtschule im Westen gilt darum: Es gibt viel zu tun. Absehbar ist leider auch: Auf ein „Rettungspaket“ oder ein „Sondervermögen“ für die Schulen dürften die Kommunen vergeblich warten.