Ein Kind und ein Jugendlicher töten ein Mädchen - nur einer wird verurteilt. Eine 12- und eine 13-Jährige töten eine 12-Jährige - einen Strafprozess wird es nicht geben. Unser Autor plädiert dafür, das Gesetz nachzubessern.
Ein Kind und ein Jugendlicher locken ein Mädchen zum Kirschenessen auf ein verwildertes Grundstück in Salzgitter. Laut Staatsanwaltschaft war von vornherein geplant, die Jugendliche zu töten.
Unbemerkt soll sich der 13-Jährige dem Opfer von hinten genähert haben und das Mädchen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Anschließend sollen die Jungen Anastasia erstickt haben. Der damals 14-Jährige ist am Dienstag zu acht Jahren Jugendfreiheitsstrafe verurteilt worden. Der zur Tatzeit 13-Jährige muss nicht hinter Gitter. Wie kann das sein? Die Tat ist schon verstörend genug, aber dass ein mutmaßlicher Mörder straffrei ausgeht, verstehen viele Menschen nicht. Man muss wissen: Der Gesetzgeber hat sich in § 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz bewusst für einen mit dem Geburtsdatum berechenbaren Rahmen der Anwendung des Gesetzes entschieden. Das bedeutet: Jeder, der zum Tatzeitpunkt unter 14 Jahre alt ist, gilt unwiderlegbar als schuldunfähig, kann also nicht bestraft werden.
Die Begriffe „strafmündig“ oder „strafunmündig“ finden sich im Gesetz nicht mehr. Ist es richtig, dass allein das Geburtsdatum darüber entscheidet, ob ein junger Mensch straffrei ausgeht? Meiner Meinung nach nicht. Und das sehen viele Rechtsgelehrte ebenso. Ich stimme dem Nebenkläger im Fall Anastasia zu: Die Realität zeigt, dass Zwölf- oder Dreizehnjährige heutzutage in ihrer geistigen Reife nicht mehr zu vergleichen sind mit Zwölf- oder Dreizehnjährigen vor 40 oder 50 Jahren. Deshalb sollte das Jugendgerichtsgesetz schleunigst überarbeitet und geändert werden, denn: Wer zur Tatzeit die geistige Reife besaß, zwischen Recht und Unrecht unterscheiden zu können, sollte für eine schwere Straftat wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung auch bestraft werden. Natürlich müssen Sachverständige in jedem einzelnen Fall prüfen, ob die geistige Reife bei einem kindlichen Täter vorlag – oder nicht.
Hinweis: Dieser Kommentar erschien zuerst am 22. Februar 2023.
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