Höchste Zeit, über die Angst zu reden. Die Angst vor denen, die anders sind als wir. Vor den Fremden. Sie grassiert nicht nur in den hyperventilierenden sozialen Netzwerken. Spätestens seit Paris, Hannover und Köln ist klar: Die Angst hat uns alle im Griff. Sie nistet tief im Gefühlshaushalt der Gesellschaft. Und trübt den nüchternen, differenzierten Blick. Wer sich nur noch bedroht fühlt, interessiert sich nicht mehr für Zwischentöne und Zusammenhänge.
Höchste Zeit, über die Angst zu reden. Die Angst vor denen, die anders sind als wir. Vor den Fremden. Sie grassiert nicht nur in den hyperventilierenden sozialen Netzwerken. Spätestens seit Paris, Hannover und Köln ist klar: Die Angst hat uns alle im Griff. Sie nistet tief im Gefühlshaushalt der Gesellschaft. Und trübt den nüchternen, differenzierten Blick. Wer sich nur noch bedroht fühlt, interessiert sich nicht mehr für Zwischentöne und Zusammenhänge.
Auf Facebook schlägt uns die Angst inzwischen nach jeder Kriminalitätsmeldung entgegen. So schockierend die Taten jeweils sein mögen – rechtfertigen sie, sich in immer neue Untergangsszenarien zu steigern? Nach der Amok-Drohung gegen die Handelslehranstalt war sich die Facebook-Gemeinde nahezu einig: „Hameln wird immer schlimmer.“ Der Mord in Groß Berkel, ein brutaler Fall, aber eben ein Einzelfall, war Anlass genug, „amerikanische Verhältnisse“ herbeizuschreiben: „Man kann sich nur noch bewaffnet aus dem Haus trauen.“ Vier Kommentare weiter die kaum noch für möglich gehaltene Steigerung: „Hameln und Umgebung, eine einzige No-Go-Area“. Nach dem Bericht über eine Schlägerei von Frauen mit südosteuropäischem Aussehen kreiste die Debatte dann nur noch um Gebrauchsanleitungen für Pfefferspray.
Vor allem an Flüchtlingen macht sich die Furcht fest. Hier steigert sie sich leicht zur apokalyptischen Paranoia. In der allgemeinen Wo-soll-das-noch-hinführen-Hysterie erscheint selbst der abstruse Gedanke einer Bürgerwehr für einige plötzlich wie das rettende Ufer.
Es mag altmodisch, beinahe trotzig klingen in diesen Zeiten, aber wir versuchen es lieber mit Fakten. Wir haben die Polizei gebeten, die Zahlen zur Flüchtlingskriminalität in Hameln-Pyrmont offenzulegen. Schonungslos. Ohne Rücksicht auf jene, die meinen, bestimmte Wahrheiten müssten volkspädagogisch vorbehandelt werden. Und ebenso ohne Rücksicht auf die Angstmacher, die nur auf diese Zahlen warten, um Vorurteile zu schüren. Wir halten unsere Leserinnen und Leser für mündig genug, sich ein eigenes Bild zu machen.
Die Bilanz der Polizei selbst fällt ambivalent aus. Wenn wir über Flüchtlinge sprechen, müssen wir auch in Hameln über körperliche und sexuelle Gewalt reden. Frauenverachtung gehört für einen Teil der Einwanderer zum kulturellen Gepäck, aber die Gewalt ist nicht weniger den prekären Umständen geschuldet, der Kasernierung vieler junger Männer, deren Hauptbeschäftigung das Warten ist. Wir müssen ebenso über Klischees sprechen, über das Bild des klauenden Flüchtlings, das in den Hamelner Zahlen jedenfalls kaum Bestätigung findet. Und wir müssen über die Irrationalität – leichter verdaulich: die Unverhältnismäßigkeit – unserer Ängste sprechen. Ja, auch unter den Flüchtlingen befinden sich Kriminelle, und jede Migration, jedes Aufeinandertreffen von Kulturen, führt unweigerlich zu Konflikten. Es wäre naiv, etwas anderes zu erwarten. Aber die Statistik ist weit davon entfernt, die viel beschworenen Szenarien des Ausnahmezustandes zu bestätigen. Schon gar nicht liefert sie den Stoff, den Untergangspropheten gerne hätten. Keine Angst, es wird ein Morgen geben.
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