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Leerstand bleibt langfristige Herausforderung“, vom 22. Mai
Es befremdet mich jedes Mal wieder, wenn ich in der Dewezet (wie auch in anderen Lokalzeitungen) lesen muss, dass Leerstand in den Innenstädten beklagt wird. Befremdet deswegen, weil die Autoren immer die Meinung der Kommunalpolitik vertreten, anstatt das Zustandekommen der Leerstände, die politischen Gegenmaßnahmen und die Entwicklungspolitik zu beleuchten.
In Bodenwerder begann der Niedergang der Innenstadt mit dem Bau der Fußgängerzone und der damit einhergehenden Schließung für den Bus- und Autoverkehr. Das Bild zu dem Artikel – eine verlassene Schlachterei – sollte dem Autor vor Augen führen, was passiert ist. Früher sind wir vor der Arbeit oder zum Mittag mal eben zum Schlachter gefahren und haben uns schnell was für den Tag oder spontan für die Mittagspause gekauft. Schnell mal rein in den Kiosk, Zeitung, Zigaretten et cetera. Wenn nun ein „Journalist“ völlig unreflektiert die Aussage der Verwaltung stehen lässt, dass der Interneteinkauf ursächlich ist, dann darf sich die hiesige Zeitung auch nicht wundern, wenn die Abo-Zahlen bald ähnlich der Geschäftsfülle in der Innenstadt von Bodenwerder sind. Jeder Leser hat eine etwas differenzierte Berichterstattung verdient. Der gesamte Einzelhandel ist zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft geworden. Auf der einen Seite Ketten und Konzerne, die genug Geld investieren können und von den Kommunen hofiert werden, auf der anderen Seite die selbstständigen Einzelkämpfer, die ohne Hilfe über die Runden kommen sollen – und das mit der Last, dass ihnen zuerst durch die Kommune die wichtigste Infrastruktur vor der Nase weggenommen wird. Das eben diese Kommune, die den Leerstand schon schnell nach Öffnung der Fußgängerzone beklagt hat, dann auch noch Konzerne außerhalb der Stadt ansiedelt (verkehrstechnisch sehr gut zu erreichen mit Parkplätzen vor der Tür), um auch die letzte Kaufkraft aus der Innenstadt abzuziehen. Entschuldigung, das hat nichts mit Digitalisierung zu tun, das ist eine komplett verkorkste Entwicklungspolitik, die schon vor dem Bau der Fußgängerzone beschrieben wurde.
Die Lokalpolitik in Bodenwerder weiß das ganz genau, traut sich nur nicht, diesen Fehler einzugestehen und hat keinen aussichtsreichen Plan, das je zu ändern. Das Öffnen der Fußgängerzone käme ja einem Schuldeingeständnis gleich. Und genau das ist das Problem in Bodenwerder: Der Mut, einen Fehler einzugestehen, den Rückbau zu initiieren und natürlich auch das Geld dazu. Was für andere Projekte aber sehr schnell und gerne gefunden wird. Mal ein Vorschlag: Bodenwerder kann doch digital mitmischen: Ein Portal, in der zentral alle Angebote der lokalen Einzelhändler gebündelt in einer Art Web Shop präsentiert werden. Aber das bedeutet ja Aktion und wirkliche Begeisterung, die angesichts der guten Zahlen aus dem Einzelhandel (die ja nur von den großen überregionalen Anbietern kommen) in der Kommune gar nicht als notwendig erkannt wird. Den Leerstand in Bodenwerder kann nur die Öffnung der Fußgängerzone für den Autoverkehr beheben, dazu ein anständiges, gebührenfreies Parkkonzept. Mit so einem Konzept kann man Gelder beantragen und planen. Jede Wette, wir lesen eher noch hundert Mal die Klagen der Verwaltung von Bodenwerder, bevor sich jemand dort ernsthaft über eine gangbare Lösung Gedanken macht. Der Makel des historischen Fehlers lastet zu groß. Und vermutlich wird auch die Dewezet weiter völlig kritiklos zum Sprachrohr der Kommune.